Ein Mitorganisator der vom Verfassungsschutz beobachteten Vereinigung “Querdenken 421“, musste sich am Dienstag vor dem Bremer Amtsgericht verantworten. Ihm warf die Staatsanwaltschaft vor, einen Bremer Polizeibeamten durch die Veröffentlichung einer Fotomontage mit “SS“-Runen verunglimpft und damit Symbole verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben.
Im Sitzungssaal 150 des Bremer Amtsgericht erscheint Kai V. am Dienstag ohne Rechtsbeistand. Ihm Gegenüber zwei StaatsanwältInnen und ein Richter. Zur Diskussion steht an diesem Nachmittag für das Gericht weniger, ob sich Kai V. am 01.03.2021 des Zeigens einer von ihm angefertigten Fotomontage mit strafbaren Inhalten schuldig gemacht hat. Vielmehr steht die Frage in Raum, welche Strafzumessung geboten scheint. Die damals auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte Fotomontage zeigt einen Bremer Polizeibeamten als NS-Kriegsverbrecher Obersturmbannführer Werner Ostendorff mit “SS“-Runen. Mit dem Untertitel: “Ich führe nur Befehle aus!“. Einen Strafbefehl in Höhe von 1.800 Euro wollte Kai V. nicht hinnehmen.
Beim Verlesen des Tatvorwurfs und Einlassungen der Staatsanwaltschaft, fällt schnell auf, dass die mit der Tat in Zusammenhang stehenden politischen Aktivitäten der letzten zwei Jahre von Kai V., für das Gericht überhaupt keine Rolle spielen. Stattdessen wird sich über eine halbe Stunde viel Zeit genommen, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten zu ergründen. Diese werden sodann anhand von Behauptungen des Beschuldigten vom Gericht mit der Straftat abgewogen. Mit fragwürdigem Ausgang.
Politische Dimension wird beim Subsumieren unter Tatbestände ausgeklammert
Hätte die Justiz sich ein wenig Mühe gemacht, wäre es für sie einfach gewesen festzustellen, dass Kai V. einer der gewichtigsten Figuren der Bremer “Querdenker“-Szene in den letzten zwei Jahren war. Nicht nur sein Bühnen-Equipment stellte er der Szene für alle Kundgebungen in Bremen bereit, samt kostenlosen Aufbau. Auch seine Kneipe “Little Dance” im Stadtteil Walle stellt Kai V. bis heute einem Teil der Szene für klandestine Treffen zur Verfügung. Seit zwei Jahren macht er sich die gefährlichen Narrative der Szene zu eigen und rückte auch nach dem Strafbefehl nicht davon ab.
Das also Kai V. diese Fotomontage veröffentlichte, in dieser er einen Polizeibeamten mit einem “SS-Obersturmbannführer” gleichsetzt, hat nichts mit einer missverständlichen Kritik an der Polizei zutun. Sie ist Ausdruck des wahnhaften Weltbildes der “Querdenker“-Szene. In dieser Welt ist die Bundesrepublik eine faschistische Diktatur, gleich dem NS-Regime. In der sowohl BeamtInnen, antifaschistische Gegendemonstrierende, demokratische Abgeordnete oder VertreterInnen der Presse, für diese Szene nichts weiter sind, als die sichtbare Exekutive einer “geheimen jüdischen Weltverschwörung“. – Wenn die Staatsanwaltschaft sich ein bisschen mehr Mühe gegeben hätte, wäre ihr auch aufgefallen, dass Kai V. Reichsfahnen auf Facebook postete, den Aussagen des Rechtsextremisten Björn Höcke (AfD) huldigt oder auch Beiträge mit antisemitisch konnotierten Verschwörungserzählungen online folgt und verlinkt. Aber das will die Justiz heute nicht wissen. Trotz Ankündigung von Justizsenatorin Claudia Schillig (SPD) nun doch irgendwie gegen Antisemitismus entschieden vorgehen zu wollen.
Hinweise auf sein krudes Weltbild gab Kai V. im Gerichtssaal den Anwesenden darüber hinaus selbst. So konstatiert er: “Mir war nicht bewusst, dass das Zeigen strafbar ist. Ich meine, schließlich habe ich mich entnazifiziert durch Feststellen der Staatszugehörigkeit nach dem 131er-Gesetz“. Lediglich ein kurzes Stirnrunzeln bei den JuristInnen. Danach zitiert er weitere Paragrafen, wonach ihm angeblich eine derartige Verwendung von “SS“-Runen erlaubt sei, weil er schließlich hier “die Geschichte” im Blick gehabt habe. Dem widersprach die Staatsanwaltschaft und belehrte ihn über die tatsächlichen Gründe für so eine Erlaubnis. Beispielsweise im Bereich einer seriösen Doku über den Nationalsozialismus. Dem setzte Kai V. entgegen, er habe damit warnen wollen, gerade “wegen der Geschichte“.
Einen gewichtigeren Einwand brachte das Gericht über den Betroffenen der strafbaren Bildmontage. Der verunglimpfte Polizeibeamte sei hier besonders hart getroffen, da sein “Großvater verfolgter des Naziregimes” gewesen sei und es “ihn als Jude besonders treffe, mit einem Obersturmbannführer der SS gleichgesetzt zu werden“. Eine Ehrverletzung des Beamten sieht die Staatsanwaltschaft folglich als gegeben. Auch wenn Kai V. nicht vorgeworfen werden kann, gewusst zu haben, dass sein Opfer Jude ist, so zeigt das Beispiel einmal mehr die realen Konsequenzen, die in der Szene geleugnet werden.
Wer Krokodilstränen vergießt zahlt weniger
Die permanenten Richtigstellungen der Staatsanwaltschaft nimmt Kai V. achselzuckend hin. Entschuldigt sich halbherzig. Betont “kein Nazi” zu sein. Was nicht ins Weltbild passt, wird in der Szene programmatisch ausgeblendet. Also warum nicht auch hier. Hellhörig wird Kai V. erst wieder bei der Frage zur Höhe des Strafgeldes. Mehrfach betont er sein geringes Einkommen. Er habe keine Einnahmen mehr mit seiner Gastronomie (in Walle) und sei auch sonst ziemlich arm dran. Das Gericht ließ sich schlussendlich auf die Krokodilstränen ein und reduzierte das Strafmaß auf “60 Tagessätze zu je 10 Euro“.
Einen zusätzlichen Eintrag in das Strafregister bekommt Kai V. an diesem Nachmittag dann doch noch, obwohl er hier unter 90 Tagessätzen blieb. Im Führungszeugnis war bereits eine jüngere Eintragung. Und so wird Kai V. wohl noch einiges länger ein lediglich seltsam beschriebenes Blatt für die Bremer Polizei und Justiz bleiben.
Redaktion
AfD Watch Bremen