Hans-Joachim von Wachter im Interview mit Radio Bremen. Von Wachter war vormals Leiter der Verfassungsschutz-Behörde. Bildquelle: Screenshot, TV Beitrag Buten un Binnen

Eine Propaganda-Veranstaltung völkischer Nationalisten der AfD konnte in der Bürgerschaft stattfinden. Dass die Kontakte der geladenen Gäste bis ins militant neonazistische Milieu reichen, will der Direktor nicht sehen

Am vergangenen Donnerstag war die AfD Strategie restlos aufgegangen. Der aggressiv völkische Resonanzraum hat sich nun endgültig bis ins Mark bürgerlicher Institutionen Bremens verschoben. Weniger durch die AfD selbst, vielmehr durch die vermeintlich bürgerlichen DemokratInnnen, wie dem Bürgerschafts-Direktor. Der marginalisierte Widerstand gegen die AfD, wurde vom Direktor der Bürgerschaft und ehemaligen VS Leiter, Hans Joachim von Wachter, unter Beifall von AfD und “IB” Akteuren öffentlich delegitimiert. Über die Podiumsgäste, wie die AfD Akteure Marc Jongen und Benedikt Kaiser, wurde im Vorfeld zur AfD Veranstaltung in der Bürgerschaft hinreichend berichtet. Parteichef Frank Magnitz leugnete gegenüber der Presse, wie erwartet, die militant neonazistische Biografie von Benedikt Kaiser. Kaiser und Jongen sind Teil völkisch-nationalistischer Netzwerke innerhalb der AfD. Bereits diese beiden Akteure hätten ausgereicht, die Veranstaltung in der Bürgerschaft nicht zuzulassen und Haltung gegen Rechtsextremismus zu zeigen. Nicht so die Bürgerschaftsverwaltung und ihr Direktor. Stattdessen wurde in Kauf genommen das “Hohe Haus” mit völkischen NationalistInnen zu fluten und der Strategie der AfD mit offenen Armen ins Messer zu laufen. Ausgerechnet Von Wachter. Jahrelang VS Leiter und nach der Selbstenttarnung des NSU mit der Umstrukturierung des VS beauftragt. Seine Verharmlosung zeigt erneut das jedwedes Vertrauen der BürgerInnen in diesen Geheimdienst unangebracht ist.

Robert Teske (Bildmitte) darf unter Billigung der Bürgrschaftskanzlei den Türsteher der Bürgerschaft spielen. Bildquelle: zugespielt

Völkische Normalisierung trifft Saalschutz

Der passend dazu, vom VS beobachtete Vorsitzende der Bremer “Jungen Alternative” (JA), Robert Teske, wurde am Donnerstag unter Billigung der Bürgerschaftsverwaltung faktisch zum Türsteher des Landesparlaments. Damit war für die AfD sichergestellt, dass einschlägig bekannte Neonazis der “IB Bremen”, bzw. ehem. Akteure der  militanten Kreise der “Jungen Nationalisten (JN)”, noch vor der Öffentlichkeit Einlass bekamen. Die kritische Öffentlichkeit, die es dennoch irgendwie hineinschaffte und dem völkischen Treiben deutlich widersprach, wurde durch den Direktor amtlich des Saales verwiesen; unter Androhung von Polizeigewalt. So soll Von Wachter zudem den ungehorsamen KritikerInnen mit “Hausverbot” gedroht haben. – Das ist also dieses Signal von DemokratInnen gegen die Normalisierung von Rechtsextremismus. Dass ein Parlaments-Direktor ganz im Sinne der völkischen NationalistInnnen, Demagogen ein höheres Recht in der Bürgerschaft zukommen lässt, als notwendiger und unverzüglicher Kritik daran. Neben dem Saalschutz durch die Bremer AfD, ist das der eigentliche Skandal. Ausgerechnet ein ehemaliger VS Leiter führt mit seiner Haltung vor Augen, wie der Mechanismus zur Normalisierung völkischen Nationalismus mikropolitisch funktioniert. Daneben eine Pressesprecherin der Bürgerschaft, Dorothee Krumpipe, die am Eingang Teilen der ausgewiesenen Presse ohne Not zunächst den Zutritt verweigerte und damit unberechtigt selektierte, wer berichten kann und wer nicht. Wie die Taz berichtet und im Beitrag von Radio Bremen zu sehen ist, war ausreichend Platz im Saal.

Die Stellungnahme der Bürgerschaftsverwaltung: “Es gab Einladungen der AfD Bundestagsfraktion. Die hatten nicht alle dabei, darum teilweise Identifikation durch den Veranstalter an der Tür. Der Zutritt für die übrige Öffentlichkeit wurde vom Veranstalter nicht beeinflusst”, ist ein Kniefall vor der AfD. Zum anderen ist die Behauptung so nicht zutreffend. Sehr wohl versuchte u.a. Teske die kritische Öffentlichkeit möglichst fernzuhalten. Wie die Taz berichtete, sollte auf Anweisung von Teske bspw. die Abgeordnete Christina Vogt keinen Zutritt mehr zum Saal bekommen. Die kommt hier nicht wieder rein … wir sind voll”, soll Teske in Hörweite der Taz zum glatzköpfigen Mark Runge (AfD, ehem. BiW) gesagt haben. Der, auf welcher Rechtsgrundlage auch immer, anstelle der BeamtInnen die Tür zum Saal abgesichert haben soll. Dass Magnitz den Protest gegen das völkische Treiben dann noch gegenüber Radio Bremen unwidersprochen als “völlig undemokratisch” kriminalisierte, geschenkt.

“IB” Akteur Oliver Osterloh wartet darauf, dass AfD Funktionär Teske ihn in die Veranstaltung durchwinkt. Bildquelle: zugespielt

Identitärer und völkischer AfD Flügel dirigiert die Bürgerschaft

Obwohl die AfD aufgefordert war eine Gästeliste auszuhändigen, soll die AfD die Aushändigung der Bürgerschaftsverwaltung verweigert haben. Kein Grund für die Bürgerschaftskanzlei skeptisch zu werden. Die AfD wusste warum, denn die Namen der Gäste sind ein Offenbarungseid. So musste die AfD nicht offen legen, dass u.a. ihre “IB” Akteure Oliver Osterloh und Julian Murken geladen waren, um gemeinsam mit “JA” Vorstandsmitgliedern hämisch am Tisch zu sitzen. Laut Abteilungsleiter der Bürgerschaft für Verwaltungsdienste, Hermann Kleen (SPD), würde ”Herr Teske schon wissen wer geladen worden ist und überließ es damit einem selbst vom VS als Rechtsextremisten eingestuften Akteur, wer zunächst die Bürgerschaft betreten darf und wer nicht. Geladen waren bei genauer Betrachtung der Gäste ausschließlich Befürworter, Unterstützer und AkteurInnen der “Identitären Bewegung”. Darunter Kontakte die vernetzt sind bis ins rechtsterroristische Milieu. Wie AfD Akteur Andreas Iloff und sein Handlanger Michael Schnieder. Ummantelt war diese Gästeliste dann nur noch von ein paar Mitläufern der AfD und stadtbekannten Rechtspopulisten, wie Oliver Meier. So passt es dann auch, wie die TAZ berichtet, dass im Saal die Podiumgäste “die rechtsextreme Identitäre Bewegung und [..] völkische Verschwörungsideologien” verharmlosten. Ohne die Presse-VertreterInnen, den Mitgliedern der Bürgerschaftsverwaltung und der Protestierenden, war der Saal vor allem mit völkischen NationalistInnen. die eindeutige Bezüge zur “IB” und Überschneidungen zur militanten Neonazi-Szene aufweisen, frequentiert. Die sich alle darin einig sind, dass JüdInnen insgeheim die Welt ins Elend steuerten und Deutschland mit muslimischen “Invasoren” vernichten wollen. Die unwidersprochene Äußerung von Marc Jongen an dem Abend, die “Kulturhegemonialen Eliten steuern den Bevölkerungssaustausch”, ist die szenetypische Codierung neurechter DemagogInnen für exakt dieses antisemitische Narrativ.

Rassismus, völkischer Nationalismus und (sekundärer) Antisemitismus sind für die Bürgerschaftskanzlei offenbar diskutierbare Positionen, die im Saal des Landesparlaments durchaus auch einmal Gehör finden dürfen. Nur zu leicht decodierbar dürfen sie nicht vorgetragen werden. Gerade der ehemalige VS Leiter hätte wissen müssen und wissen können, dass an diesem Abend keine bürgerliche Veranstaltung geplant war, sondern die völkische Vereinnahmung demokratischer Institutionen. Der kurze Einwand des Direktors gegen den Redner Marc Jongen, dieser wäre an einer Stelle dann doch etwas zu rassistisch geworden, war nichts weiter als heiße Luft. Denn die Podiumsgäste nach dieser kleinlauten Ansprache einfach weiter ihre rassistische und antisemitische Agitation fortsetzen zu lassen, ist genau die rückgratlose Geisteshaltung der bürgerlichen “Mitte”, die diese Ausformung der extremen Rechten erst wieder salonfähig gemacht hat. Nach den neonazistischen Ausschreitungen in Chemnitz und antisemitischen Anschlägen, wie in Pittsburgh, ein besonders beschämendes Signal.

 

Eine Momentaufnahme im Saal der Bürgerschaft zeigt deutlich die Dominanz rechtsextremer Kreise, die innerhalb der AfD die “IB” unterstützen. Bildquelle: AfD Watch Bremen

Die Gästeliste

Wir haben uns ein paar dieser “Gäste” des Bremer Landesvorstandes näher angeschaut.  Neben diesen einschlägigen “Gästen” waren im Zusammenhang mit der “IB” und anderen rechtsextremen Kreisen, weitere Akteure der Bremer AfD anwesend, die zum völkisch-nationalistischen Flügel zählen und die “IB” unterstützen.

Oliver Osterloh, IB Bremen

Oliver Osterloh (rechts mit Trommel) als “JN” Akteur 2013 beim Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf. Osterloh und Kameraden fordern Freiheit für einen ehem. SS-Offizier der Massaker an italienischen ZivilistInnen durchführte

Aus den Reihen der ehemaligen “Jungen Nationalisten (JN)” war Oliver Osterloh von der AfD geladen und wurde an der Tür der Bürgerschaft von Teske durchgewunken. Osterloh nahm bereits 2012 beim Gründungstreffen der “IB Freundeskreis Bremen” in einer Kneipe der Bremer Neustadt teil. Gemeinsam mit weiteren AfD nahen Akteuren war er besonders 2017 ständig an “IB” Aktionen beteiligt Osterloh kann nicht nur als Gründungsmitglied, sondern als fester Bestandteil der Bremer “IB” Organisation eingeordnet werden. Eingeladen hatten zum damaligen “IB” Gründungstreffen, die Bremer militanten Neonazis Andreas Hackmann und Gerold Schibblock. Welche ebenfalls fester Teil der “IB” Organisation sind und auch 2017 im Hintergrund agierten. Passend dazu kamen am Tag der Gründung, der damalig bei den “JN” organisierte Neonazi Oliver Osterloh, gemeinsam mit dem ehemalige Anmelder der Homepage von “IB Deutschland” Christian Wagner aus Weyhe. Osterloh war darüber hinaus stetiger Besucher bei verschiedensten rechten Aufmärschen, wie beispielsweise der militant neonazistischen Hooligan-Gruppierung GSD. Zu diesen Aufmärschen reiste er vorwiegend mit seinen JN Kameraden Marius Lachnik (ebenfalls “IB” Bremen) und Alexander Greinke”. Sein Auftritt bei der AfD Veranstaltung ist nicht überraschend. Schon bei anderen AfD Veranstaltungen reiste Osterloh mit weiteren “IB” Akteuren an und trat gemeinsam mit Bremer AfD Akteuren auf, wie bei einer Bundestagswahlkampf-Kundgebung 2017 in Stuhr.  

“IB” Propaganda 2017 bei Worpswede am Niedersachsen Stein. Julian Murken links neben Jonas Schick (ganz rechts). Bildquelle: FB, “IB” Bremen, Niedersachsen

Julian Murken, IB Bremen

Der aus Osterholz-Scharmbeck stammende Julian Murken der sich gleich einen ganzen Bundesadler auf die Brust tätowiert hat, war über den aktivsten Zeitraum der “IB” Bremen an allen Propaganda-Aktionen beteiligt. Wie vor allem die von der “IB” veröffentlichten Bilder dokumentieren können. Seine Verbindungen ins extrem rechte Milieu verläuft vor allem über die provinziellen Strukturen der neuen Rechten in Bremens Hinterland und finden u.a. besonderen Anklang bei der AfD Rotenburg. Dort verfasst er als Autor für den Social Media Auftritt des AfD Vorsitzenden des Kreisverbandes, Matthias Kröger. Die Propaganda von Julian Murken hat, wie alle Publikationen der AfD und “IB”, einzig den Zweck Hetze gegen Minderheiten zu verbreiten und völkische Ideologie zu normalisieren. Murken ist durch seine regionalen Beziehungen ins Hinterland ideale Verbindungsperson zwischen der “IB Bremen” und “IB Niedersachsen”.

Iloff, AfD Diepholz, (links) mit Abgeordneten Magnitz, AfD Bremen. Instrumentalisieren in Kirchweyhe eine Tragödie rassistisch. So wie vorher die “IB” und die Hooligan Szene. Bildquelle: Recherche Nord

Andreas Iloff, AfD Kreisverband Diepholz

Unter den Gästen trat auch Neonazi und Diepholzer AfD Kreisvorsitzender Andreas Iloff mit weiteren AkteurInnen aus seinem politischen Umfeld auf. Iloff der schon länger als die Bremer JA vom VS beobachtet wird, ist Mitorganisator vom neonazistischen „Deutschen Bund“. Eine Art elitäre völkische Sekte, die nicht zuletzt 2013 in Kirchdorf auch Mitglieder der verbotenen Organisation HDJ auf einer konspirativ organisierten Veranstaltung beherbergte. Bereits mehrere Jahre kamen im Zuge der am NS orientierten „Sommersonnenwende“ diverse Neonazis auf den Hof von Iloff, um im völkischen Zeltlager „Die gute alte Zeit“ unter Hitler nachzuspielen. Rechtsextremismus-ExpertInnen und der Verfassungsschutz stufen den „Deutschen Bund“ als gefährlich ein. Die Behörden geben an, in der Mitgliederzeitung dieser völkischen Sekte werde „das NS-Regime verherrlicht, NS Verbrechen relativiert und rassistisches Gedankengut vertreten“. Neben diesen Aktivitäten unterhält Iloff gute Kontakte zu Thorsten Heise, Chef der thüringischen NPD. Heise wiederum hatte Untersuchungen zufolge Kontakt zu Tätern, bzw. Beschuldigten im NSU-Prozess. Interessant, da Podiumsgast Benedikt Kaiser ebenfalls im Umfeld von Beschuldigten im NSU-Prozess agierte.

Auch mit anderen organisierten militanten Neonazis konnte Iloff nachweislich in Verbindung gebracht werden. Darunter Kader des verbotenen „Nationaler Widerstand Dortmund“. Iloff bestreitet trotz objektiver Belege diese Tatsachen. Auch beim HoGeSa Aufmarsch in Hannover trat Iloff mit militanten Neonazis auf. Die AfD Niedersachsen und die Bundes-AfD decken seit Jahren Iloffs Netzwerk mit ihrer bürgerliche Fassade. Der Bundesvorsitzende Gauland war im August 2017 gemeinsam mit Iloff, während des Bundestagswahlkampfs 2017, in Stuhr-Brinkum aufgetreten. Auch hier trat die AfD Bremen wie in Kirchweyhe unterstützend auf. Ein reger Austausch also zwischen Iloff und dem Vorstand der AfD Bremen. Ebenso zwischen den beiden “JA” Vorständen, Bremen und Niedersachsen.

Mittig rechts A. Tassis, Abgeordneter der AfD Bremen, Links daneben Michael Schnieder. AfD Funktionär Diepholz und rechte Hand von A. Iloff. Bildquelle: AfD Watch Bremen

Michael Schnieder, AfD Kreisverband Diepholz

Schnieder ist gemeinsam mit Andreas Iloff im AfD Vorstand des Kreisverbandes Diepholz und dessen rechte Hand. Seit 01.11.2016 hat Schnieder ein Mandat im Kreistag Diepholz inne. Beim sogenannten “Kandel ist Überall – Frauenmarsch” der Bremer AfD, trat Schnieder gemeinsam mit der Anmelderin De Buer sowie dem AfD Bürgerschaftsabgeordneten Alexander Tassis auf dem Marktplatz auf. Schnieder war zuvor, am 10.03.2018, im nahe Bremen gelegenen Kirchweyhe zusammen mit dem “IB” Unterstützer und ehemaligen “JA” Vorsitzenden von Niedersachsen, Lars Steinke, aufmarschiert. Mit ihm in Kirchweyhe waren auch AfD Bremen Landesvorsitzender und Bundestagsabgeordneter, Frank Magnitz, gemeinsam mit “JA Bremen” Akteur Marvin Mergard.

Redaktion
AfD Watch Bremen

 

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