Um den Einzug zu schaffen steht die Partei Bürger in Wut (BiW) im Wahlkampf unter dem Druck WählerInnen aus dem AfD Lager gewinnen zu müssen. Die Wutbürger setzen dabei auf bekannte Strategien und Töne der AfD.
In die Kerbe neurechter Verschwörungstheorien schlug kürzlich der Chef der “Bürger in Wut” (BiW), Jan Timke. Der in seiner Not, im laufenden Wahlkampf unbedingt an das Fan-Lager der AfD adressieren zu müssen, sich in Diktion der Konkurrenz übt.
So äußerte er sich in einer Antrags-Debatte in der Bürgerschaft über “sichere” Herkunftsländer, am 27.02.2019: “(..) der Widerstand der Grünen gegen die Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer hat weniger humanitäre Gründe, sondern ist vor allem ideologisch motiviert. Die Grünen wollen möglichst weit geöffnete Grenzen für Zuwanderer aus aller Welt, um die Umwandlung Deutschlands in eine multikulturelle Gesellschaft zu verfestigen, bzw. weiter zu beschleunigen“. – Timke’s Äußerung entspringt einem elementaren Narrativ der “Neuen Rechten”. Von einer “ideologischen Motivation zur Umwandlung Deutschlands in eine multikulturelle Gesellschaft” zu sprechen, kann nicht ohne die intendierte Vorstellung einer “eigentlich inneren homogenen deutschen Bevölkerung” gedacht werden. Das nicht Humanismus, sondern “Ideologie” das Motiv sei Schutzsuchenden zu helfen, ist gängiger Ton in Strömungen der “Neuen Rechten” und hat nichts mit üblichen Zuspitzungen im Wettbewerb der Parteien zutun.
Wo fängt BiW an und hört AfD auf
Timke hatte, passend zu so einem Weltbild, vor wenigen Monaten illegal einen Haftbefehl gegen einen Beschuldigten öffentlich gemacht. Der Beschuldigte, bei dem vorwiegend seine Herkunft thematisiert wurde, stand im Verdacht an einer tödlichen Messerangriff in Chemnitz beteiligt gewesen zu sein. Dieser Messerangriff war Ausgangspunkt für den völkischen Flügel der AfD und der bundesweiten neonazistische Szene, in Chemnitz das Opfer dieses tödlichen Angriffs zu instrumentalisieren. Sowie willkürlich MigrantInnen und JournalistInnen zu attackieren. Timke verbreitete diesen Haftbefehl online, trotz erwartbaren Wissens, als jahrelanger Bundesbeamter der Polizei, dass eine Veröffentlichung strafbar ist. In einschlägig extrem rechten Kreisen wurde dieser Vorgang mit Applaus honoriert und brachte Beachtung für Timke und seiner im Grunde bedeutungslosen Partei. Ein sonst für die AfD typischer Tabubruch, mit anderen Mitteln. Bundesweit wurde Timke’s Veröffentlichung des Haftbefehls medial thematisiert. Eine bessere PR, die mitunter an Fans des AfD Lagers adressiert, konnte seine Partei während der Wahlkampfphase gar nicht bekommen.
Nun den ehemaligen AfD Akteur Hinrich Lührssen zum Spitzenkandidaten für den Wahlkampf zu machen, der noch im Januar 2019 mit dem Neonazi und AfD Akteur Andreas Kalbitz für Propagandabilder posierte, sowie in einer Talkshow die Ereignisse in Chemnitz begrüßte, ist wohl nur folgerichtig. Nimmt jedoch beiden Parteien die letzte Glaubwürdigkeit unterschiedlich zu sein. Kurz zuvor wechselten Mark und Natascha Runge aus dem BiW Vorstand in die Bremer AfD. Aktuell sind sie KandidatInnen der AfD für den Bürgerschaftswahlkampf. In den letzten Jahren sind einige Funktionäre zwischen den Parteien hin und her gewechselt. Auch wenn beide Parteien während des Wahlkampfs öffentlich um gegenseitige Abgrenzung bemüht sind, durch die Verbindung der AkteurInnen, ihrer wechselseitigen Treffen und ihrer sich angleichenden Diktion, wird die Linie, wo die AfD aufhört und die BiW anfangen, immer weiter verwischt.
2010 wurde der BiW vom Politologen Wolf Krämer bescheinigt, sie sei “nicht rechtsextrem im engeren Sinne, sondern bemüht sich von Rechtsextremismus abzugrenzen“. – 2019 kann von Abgrenzung überhaupt keine Rede mehr sein.
Redaktion
AfD Watch Bremen