Der Bremer AfD Landesvorstand ließ unter dubiosen Umständen seine KandidatInnen aufstellen und will im Mai mit ihnen in die Bürgerschaft einziehen. Unsere Recherchen geben Anlass zu der Frage, ob der Landesverband mit seinen KandidatInnen überhaupt zur Bürgerschaftswahl zugelassen werden kann.
Der Landesvorstand der Bremer AfD, wird am kommenden Donnerstag ihr ehemaliges Vorstandsmitglied Hinrich Lührssen vor das Landgericht zerren. Nach Darstellung des Parteichefs Frank Magnitz, habe Lührssen in Interviews unwahre Tatsachen über seine Partei behauptet. Magnitz fordert den inzwischen zu Bürger in Wut (BiW) gewechselten TV Journalisten zur Unterlassung auf. Unter anderem gab Lührssen in einem Interview mit Radio Bremen bekannt, in der Bremer AfD seien “Antidemokraten” am Werk, die sich “übler Tricks” bedienten. – Um welche üblen Tricks es sich konkret handel soll, ließ Lührssen bislang offen. Bei unseren Recherchen fanden wir Antworten darauf.
Systematisch manipuliert
Im Fokus steht der Parteitag zur “Aufstellungsversammlung” der Bremer AfD, am 20.01.2019. Der Landesverband kam in Bremen Nord zusammen, um hier seine KandidatInnen für die Bürgerschaftswahl zu wählen. Warum Magnitz und seinem Stellvertreter, Thomas Jürgewitz, besonders daran gelegen war, dass weder Presse, isolierte Mitglieder, noch unabhängige Beobachter Zutritt bekommen sollten, hat wohl schwerwiegende Gründe.
Nach uns vorliegenden Informationen, soll die Parteiführung sämtliche gesetzliche und satzungsrechtliche Vorgaben bewusst missachtet haben. Zudem habe sie die Wahlaufstellung zu ihrem Vorteil manipuliert und die KandidatInnen-Liste mit teils ungeprüften, teils falschen Angaben unterzeichnet. Ziel der Manipulationen sei, Spitzenplätze für Frank Magnitz und seiner Tochter, Ann-Katrin Magnitz, sicher zu stellen. Sowie Sitze in der Bürgerschaft für KandidatInnen zu ermöglichen, die unter wahrheitsgemäßen Angaben kein Anspruch darauf hätten. Unter anderem habe der Immobilienbesitzer Magnitz, KandidatInnen die nicht in Bremen wohnhaft sind, falsche Vermieter-Bescheinigungen ausgestellt.
Beim besagten Parteitag war die Presse zum wiederholten Male ausgeschlossen. Einblicke unabhängiger BeobachterInnen in die Abläufe, seien durch die Parteiführung gezielt unterbunden worden. Unerwünscht waren schon im Vorfeld AbweichlerInnen innerhalb des Landesverbandes. Diese mit Parteiausschlussverfahren isolierten Mitglieder konnten sich rechtzeitig in den Parteitag einklagen. Sie sollen während der Aufstellung dennoch an Ausübung ihrer Rechte gehindert worden sein. Entsprechend liegen vier Wahlanfechtungsklagen vor. Am Nachmittag des Parteitags reiste Christoph Emden (AfD Osterholz-Verden) an. Der Kammervorsitzende des Landes-Schiedsgerichts und Landtagsabgeordneter der niedersächsischen AfD, wollte als neutraler Wahlbeobachter die Abläufe dokumentieren. Mitglieder sollen ihn verständigt haben, mit dem Hinweis, dass die Wahl manipuliert würde. Auch ihm wurde untersagt den Parteitag zu betreten.
Das System falscher Bescheinigungen
Das Wahlgesetz gibt vor, dass jeweils für Bremen und Bremerhaven nur gewählt werden kann, wer “spätestens drei Monate vor der Wahl” sich für „gewöhnlich“ in diesem Stadtgebiet aufhält. Lührssen hatte vor ein paar Monaten noch keine Meldeadresse für die Stadtgemeinde Bremen, als dieser im Wettbewerb stand Spitzenkandidat der AfD für Bremen zu werden. Lührssen hätte an seinem Wohnort für Bremerhaven kandidieren müssen. Magnitz soll Lührssen eine Wohnungsgeber-Bescheinigung für Bremen ausgestellt haben. Um bei der Abgabe der Wahlunterlagen die Wahlaufsichtsleitung darin zu täuschen, Lührssen würde bereits im Stadtgebiet Bremen leben und seine Wahlaufstellung sei rechtmäßig. – Die Wohnung in Gröpelingen sei aber derart unbewohnbar gewesen, dass Lührssen es vorzog sich selbst eine echte Wohnung und Meldeadresse in Bremen zu organisieren.
Magnitz unterhält in verschiedenen Stadtteilen Immobilien. Aktuell und bei vorangegangenen Wahlen, soll Magnitz auch weiteren KandidatInnen möglich gemacht haben, seine Immobilen als Scheinadresse zu nutzen. – Zur Wahl 2015 gab es schon einmal Ermittlungen gegen AfD Funktionäre. Der Co-Vorsitzende Thomas Jürgewitz stand bereits im Verdacht der Wählertäuschung und zog Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf sich. Jürgewitz wurde verdächtigt, tatsächlich im Raum Cuxhaven zu leben und nicht in einer Wohnung in Bremerhaven. Dies bezeugten AnwohnerInnen, die ihn täglich an der ursprünglichen Adresse sahen. Jürgewitz konnte sich damals rausreden.
Mit Betrug ins Parlament
AfD Akteur Heiner (Heinrich) Löhmann wird auf Platz sechs der KandidatInnen-Liste des Bremer Landesverbandes geführt. In der Konsequenz müsste Löhmann seinen Lebensmittelpunkt in Bremen haben. Unsere Recherchen dokumentieren, dass Löhmann tatsächlich in Syke lebt.
Löhmann wollte 2013 Bürgermeister von Syke werden. Nach seinem Scheitern trat er aus der CDU aus, um 2016 dem völkisch-nationalistischen AfD Kreisverband Diepholz beizutreten. Sein Lebensmittelpunkt hat der 58-jährige Löhmann seit seiner Jugend im niedersächsischen Syke. Mit Bremen hat Löhmann, der sich selbst “Syker Junge” nennt, nur soviel zutun, dass seine Firma ETIB GmbH unter anderem in Bremen gemeldet war. Das Unternehmen ist insolvent und wurde inzwischen gelöscht. – An seinem Einfamilienhaus in Syke, ist weiterhin sein Namenschild. Vor kurzen ließ Löhmann in Bremen, am Bruchweg 13, neue Namenskleber anbringen. An der das Label seiner inzwischen gelöschten Firma weiterhin den einzigen Briefkasten des Hauses ziert. Unter die Namen derer die tatsächlich dort wohnen, setzte er seinen eigenen. Löhmann war in den Wochen unserer Recherchen nie dort anzutreffen. Sondern lediglich die dort gemeldeten Personen, die mit seiner angeheirateten Schwiegertochter in Verbindung stehen. – Wenn Löhmann aber in Syke lebt und eigentlich Mitglied der AfD im Kreisverband Diepholz ist, wie kommt er auf die Liste der WahlkandidatInnen zur Bürgerschaftswahl in Bremen.
Scheinmitglieder und Vetternwirtschaft
Die Machenschaften der Parteiführung gehen noch weiter. Lührssen sagte nach dem Parteitag gegenüber Radio Bremen aus: “Ich hatte den Eindruck, dass die Mehrheiten [für Magnitz] gut organisiert waren”. – Bei der Kandidatenaufstellung am 20.01.2019 nahmen acht Mitglieder der Familie Magnitz teil. Darunter Familienmitglieder, die sonst nicht in der Partei auftreten. Das davon alle wahlberechtigte Mitglieder waren, muss angezweifelt werden. Im Raum stehen zudem Aussagen, die Parteiführung habe sich bereits in der Vergangenheit die Wiederwahl gesichert. Indem sie im Alleingang der Basis unbekannte Personen vorsetze und kurzfristig zu Mitgliedern erklärte. Gegen Bezahlung seien diese u.a. auf einem Parteitag 2017 nach Bremerhaven geladen worden. Die Scheinmitglieder wären abgestellt gewesen, den von Magnitz und Jürgewitz gewünschten Vorstand neu wählen zu lassen. Das Motiv: Mögliche Mehrheiten gegen sich zu verhindern. Auf die Art soll auch Magnitz Kandidatur zum Bundestagsabgeordneten 2017 erst möglich geworden sein. Die Scheinmitglieder tauchten nur zu diesen Parteitagen auf und seien ansonsten nie wieder gesehen worden.
Jede Partei ist verpflichtet, bei der Wahlaufstellung ordnungsgemäß die Parteimitgliedschaft der zur Wahl stehenden KandidatInnen und derer die sie wählen, zu kontrollieren. Hierzu müssen alle die eine Stimmkarte erhalten sich ausweisen. Der Eingang muss dahingehend kontrolliert werden, um doppelte oder unberechtigte Ausgaben von Stimmkarten ausschließen zu können. Statt dieser Pflicht nachzukommen, soll allen Personen die den Tagungsraum betraten, bei der Wahlaufstellung zur Bürgerschaftswahl Stimmkarten in die Hand gedrückt worden sein. Niemand kontrollierte vor der Abstimmung die Identitäten der Anwesenden. – Das Parteigesetz gibt zwingend vor, dass jede zugelassene Partei im “inneren demokratischen Grundsätzen” entsprechen muss. Die Frage die sich aufdrängt ist, ob der Landesverband aufgrund seiner Machenschaften überhaupt noch Wesensverwandt mit einer Partei ist oder vielmehr mit einer kriminellen Vereinigung.
Magnitz verklagt Lührssen
Landeschef Magnitz* und Hinrich Lührssen werden am 14.03.2018, 12.00 Uhr, im Landgericht, Saal 117, aufeinander treffen. Lührssen ist unter anderem aufgefordert, nicht zu behaupten, dass die Bremer AfD mit üblen Tricks arbeitet. Ähnliche Prozesse gegen ehemalige Funktionäre, hat Magnitz bislang verloren. – Prozessbevollmächtigte des Landesvorstands ist Rechtsanwältin und AfD Akteurin Kathrin Baake (Landkreis Verden). – Baake war zuletzt am 14.01.2019 in ihrer Funktion als AfD Akteurin in Erscheinung getreten, als sie eine Kundgebung am Goethe-Theater für die Interessen ihrer Partei anmeldete. In einem Rundschreiben an alle Bürgerschaftsfraktionen gab sie vor, sie würde eine “überparteiliche Mahnwache” unter dem Titel: “Demokraten gegen Gewalt” organisieren und habe nichts mit der AfD zutun. Im Anschluss nutze sie und ihre Partei die Weigerung der Fraktionen an einer AfD Kundgebung teilzunehmen, um ihnen indirekt Billigung von Gewalt zu unterstellen.
Üble Tricks, sind in dieser Partei die Luft zum Atmen.
Redaktion
AfD Watch Bremen
*Magnitz erschien nicht zur Verhandlung. Er ließ sich von seinem Stellv. Thomas Jürgewitz vertreten.
Presse
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