Radio Bremen, Sender des Formats Buten un Binnen. Einer der Arbeitgeber des neuen Vorstandsmitglieds der Bremer AfD, Journalist Hinrich Lührssen

Ein Kommentar zum Fall Lührssen, die Medien und AfD

Vor einer Woche war die Welt beim Sender Radio Bremen noch in Ordnung. Unterstützer der extremen Rechten waren irgendwo außerhalb des Senders zu finden, nicht im Sender. Nachdem sich wohl der erste Schock über die Mitteilung gelegt hat, Hinrich Lührssen arbeite nicht nur für die Presse, sondern fortan ausgerechnet mit denen die propagandistisch gegen sie arbeiten, wird es Zeit einen sachlichen Blick auf den Fall zu werfen und Fragen zu stellen.

Eines gleich vorweg: JournalistInnen haben selbstverständlich das Recht auf eine eigene politische Meinung und ein Privatleben. Dies gilt auch für Hinrich Lührssen, der aktuell für Buten un Binnen und stern TV als freier Mitarbeiter tätig ist. Doch als Parteivorstand der AfD gestaltet Lührssen die Politik der Partei aktiv mit und ist für diese mitverantwortlich. Die Fragen, die sich die Redaktionen denen Lührssen angehört, nun stellen müssen sind:

Der Interessenkonflikt

Wie gehen sie mit dem Interessenkonflikt um, in dem Hinrich Lührssen steckt? Die Medien, für die er arbeitet, berichten über die Partei für die er nun als Vorstand aktiv ist. Wie wollen sie sicherstellen, dass Lührssen keine Informationen über geplante AfD-kritische Beiträge oder Quellen für interne Informationen über die Partei weitergibt? Journalisten, die investigativ für stern TV oder Buten un Binnen über die AfD berichten, müssen damit rechnen, dass ihre Recherchen auch mit einem Vorstand der Partei geteilt werden.  

Lügenpresse

Wie wollen sie damit umgehen, wenn es am Rande von AfD Veranstaltungen in Bremen erneut zu Angriffen auf Journalisten kommt – möglicherweise sogar auf Buten un Binnen MitarbeiterInnen? Lührrsen im Vorstand der AfD ist in Zukunft mitverantwortlich für den Kurs der Partei. Im gesamten Bundesgebiet zeigen AkteurInnen und Fans der AfD sich in vielen Situationen in denen JournalistInnen einfach nur ihre Arbeit machen, immer wieder pressefeindlich. So auch in Bremen. Im April 2018 griff Thomas Jürgewitz, der Kreisvorsitzende der Partei in Bremerhaven und stellv. Landesvorsitzende der Partei, den Buten un Binnen Reporter Jan Oppel persönlich im Internet an. Er beschuldigte diesen unter anderem als „gebührenbezahlten Medienverdreher“. Beweise für seine Anschuldigungen  blieb Jürgewitz und die AfD der Öffentlichkeit schuldig. Im Juni 2018 versuchte der Bremer AfD-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnere Frank Magnitz zu verhindern, dass die Journalistin Andrea Röpke und Sebastian Heidelberger, die beide ebenfalls für Buten un Binnen arbeiten, Aufnahmen von einem Parteitag machten. Magnitz griff ihnen in die Kamera und befahl die Bilder zu löschen. Andere Teilnehmer des Parteitages beschimpften die MedienvertreterInnen als „Zeckenpack“ und „Lügenpresse“.

TV-Promi bei der AfD

Wie werden die Redaktionen darauf reagieren, wenn eines ihrer prominentesten Gesichter im Bürgerschaftswahlkampf für die AfD auftritt? Hinrich Lührssen ist deutschlandweit für unterhaltende Beiträge und freche Sprüche vor der Kamera bekannt. Dem Bremer Landesverband fehlt seit der Gründung ein charismatischer Kandidat, der mit einem bekannten Gesicht um die Gunst der Wähler buhlt. Lührssen könnte als bei den ZuschauerInnen beliebter und deutschlandweit bekannter Fernsehmann diese Lücke füllen. Jede weitere Sendeminute bei stern TV oder Buten un Binnen stärkt seine Prominenz und damit seinen Wert für die AfD.

Toleranz für Intoleranz?

Die wichtigste Frage, die sich nun alle Kolleginnen und Kollegen von Lührssen stellen müssen: Wie gehen sie damit um, dass eines ihrer Redaktionsmitglieder, nun Funktionär einer Partei ist, die seit Jahren offen mit Rechtsextremisten zusammenarbeitet und sich stetig radikalisiert, in Teilen Antisemitismus akzeptiert, gegen Minderheiten hetzt, Ängste schürt, nationalistische und rassistische Positionen vertritt und feindselig einer kritischen Berichterstattung gegenüber tritt. – Die AfD hat sich verändert. Mit dem Rückzug von Frauke Petry dominiert immer lauter der völkisch-nationalistische Höcke-Flügel die gesamte Partei. Und ausgerechnet in Bremen, sitzt die Landespartei der AfD, die Höcke treu ergeben ist. Am Tisch dieser am äußeren Rechten Rand agierenden Partei wird nun Lührssen sitzen und sicher nichts am demokratiefeindlichen Kurs, des auf Höcke eingeschworenen Landesverbandes, ändern. Im Gegenteil, sein Image, seine Beziehungen zu den Medien wird diesen Kurs und die menschenfeindlichen Ideen dieser Partei durch seine Präsens im öffentlichen Diskurs weiter normalisieren.

Die Normalisierung rechtsextremer Politik in der Mitte der Gesellschaft verschwindet nicht durch Sonntagsreden oder durch das Verlesen von politischen Leitlinien der Chefetagen. Es bedarf einer kritischen Haltung und einer klaren Abgrenzung. Wo keine Toleranz der Intoleranz gilt, muss diese Haltung konsequent zum tragen kommen und nicht ihre Gegner.

Redaktion
AfD Watch Bremen

 

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