Gestern DVU, heute AfD. Rechtsaußen-Parteien sind professioneller und moderner geworden. Ihre Propaganda und ihre Ziele sind fast dieselben geblieben.

Bremen nach der Wahl. Seit 1991 gelang es völkischen NationalistInnen im Bundesland Bremen nicht mehr in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft einzuziehen. Nun verhalf der AfD ihr Stimmen-Zuwachs in Bremerhaven, zum Fraktionsstatus im Parlament. Zuletzt war es die extrem rechte DVU, unter frappierend ähnlichen Vorzeichen.

Die Bremer AfD wird in den nächsten Wochen sowohl in die Bürgerschaft, als auch in die Bremerhavener Stadtverordneten-Versammlung als Fraktion einziehen. Nicht weil sie im Stadtgebiet Bremen genug Mandate erzielt hätte, sondern aufgrund der Besonderheit des Bremer Wahlrechts. In Bremen konnte sie keine nennenswerten Zugewinne seit 2015 erreichen und erhält wie zuvor vier Mandate. 2015 verlor sie drei ihrer Mandate während der Legislaturperiode, aufgrund von Parteiaustritten. In Bremerhaven erzielte die AfD hingegen nahezu eine Verdoppelung ihrer Zustimmungswerte. Zusammen mit den WählerInnen-Stimmen ihrer Konkurrenzpartei “Bürger in Wut” (BiW), vollzieht sich in Bremerhaven ein deutlicher Rechtsruck. Mit der Folge, dass die AfD mit ihren Ergebnissen aus Bremerhaven, ein weiteres Mandat in der Bürgerschaft geltend machen kann. 2015 hatte sie dieses Ziel knapp verfehlt.

Die Partei BiW, haben in der Bürgerschaft zwei Sitze einbüßen müssen und sind nur noch mit ihrem Einzelabgeordneten Jan Timke vertreten. Gleichwohl können die Wutbürger und die AfD als Fraktionen in die Stadtverordneten-Versammlung einziehen. Das Siechtum der NPD findet hingegen ein Ende. Sie ist in Bremerhaven nicht mehr vertreten. Auch die Partei “Die Rechte” geht leer aus. – Nach Listenplatz werden für die AfD in die Bürgerschaft* einziehen: Frank Magnitz, Thomas Jürgewitz (Bremerhaven), Uwe Felgenträger, Peter Beck und Mark Runge. Die in Bremen auf Platz 5 angetretene AfD Kandidatin und Tochter des AfD Landeschefs, Ann-Katrin Magnitz, schaffte den Einzug in die Bürgerschaft nicht. Sie erhält stattdessen ein Mandat im Beirat Gröpelingen. 

Fraktion im Landesparlament zu sein, bedeutet für die AfD erhebliche Vorteile zu ihrem vorherigen Status. Bislang wurde sie nur von ihrem Einzelabgeordneten Alexander Tassis vertreten. Sie kann zukünftig als Fraktion Büros, Material und Angestellte geltend machen und hat Anspruch auf ein Jahresbudget zwischen 470.000 – 588.000 Euro. Jeder der fünf Abgeordneten erhält eine monatliche Entschädigung von 5.900 Euro im Monat. Der zukünftige Fraktionsvorsitzende der AfD erhält monatlich 12.880 Euro. Die Redezeiten verlängern sich und Anfragen an den Senat können einen größeren Umfang einnehmen. Auch die Presse berichtet grds. ausführlicher über die Tätigkeiten und Positionen von Fraktionen. Einen Sitz im Rundfunkrat von Radio Bremen kann sie beanspruchen. Neben einem privilegierten Zugriff auf Mittel des Landes- und Kommunalparlaments, hat die AfD Anspruch auf Vertretung in allen Deputationen und Ausschüssen. Mit Ausnahme geheimdienstlicher Gremien. – Auch in den sieben Beiräten für die sie angetreten war, holte die AfD jeweils 1 – 2 Mandate.

Im Westen nichts Neues

Wie die AfD setze die DVU auf antimuslimische Hetze und auf den verschwörungstheoretischen Begriff “Islamisierung”. 

Ähnliche zu nutze machen konnte sich die Deutsche Volksunion” (DVU) das Bremer Wahlrecht, bei den Bürgerschaftswahlen 1991. Damals errang die DVU sechs Mandate und bildete in der Bürgerschaft eine Fraktion. Der damalige Vorsitzende Siegfried Tittmann wirkte bis 2007, bis zum Niedergang der DVU, überwiegend in Bremerhaven. So wie heutzutage der zukünftige AfD Fraktionsvorsitzende Thomas Jürgewitz. In Bremerhaven konnte die DVU phasenweise rechte Strömungen und ProtestwählerInnen erfolgreich binden. Bis zu ihrer Auflösung 2010 in der NPD, war sie über Jahrzehnte in der Stadtverordneten-Versammlung vertreten. Widerstände der Zivilgesellschaft beschränkten sich auf den Raum Bremen. In Bremerhaven gab es kaum Protest. – Nahezu identisch sind auch die Prozentzahlen in der Hochphase der Parteien. Die DVU erreichte 1991, 6,2 Prozent in Bremen. Die AfD kann aktuell 6,1 Prozent der WählerInnen-Stimmen im Bundesland auf sich vereinen. Die DVU erzielte 10,6 Prozent in Bremerhaven, die AfD 9,06 Prozent. Auch die Gebiete in denen sie zweistellige Ergebnisse erreicht, sind nahezu dieselben. –

Die AfD hatte Bremerhaven während des Wahlkampfs regelrecht überflutet mit Plakaten. Die rassistische Propaganda von BiW, AfD und “Die Rechte” hatten während des Wahlkampfs sächsische Zustände im Stadtbild hergestellt. Die DVU konzentrierte sich zu Wahlkampfzeiten, wie die AfD, auf die gleiche Weise auf Bremerhaven und versuchte das Stadtbild mit ihrer Propaganda zu dominieren. Mit fast wortgleichen Parolen. Hierzu investierte die DVU zeitweise Millionenbeträge. Da sich Wahlkämpfe immer mehr in die sozialen Medien verlagern, und sie vielfach in der bürgerlichen Presse ihre Ressentiments normalisieren kann, waren horrende Summen für die AfD hier nicht erforderlich. – Dass die AfD bei ihrem letzten Parteitag in Bremerhaven, sich die ehemaligen Räumlichkeiten von Siegfried Tittmann zunutze machte, ist wohl kaum nur ein Zufall. Fragmente der Strukturen und das WählerInnen-Klientel aus der Zeit vorheriger rechtsaußen Parteien, sind vor allem in Bremerhaven und in Bremen Nord immer noch vorzufinden und für die AfD adressierbar. 

1991 hatte die DVU Bremen eine ähnliche Trümmertruppe in die Bürgerschaft gebracht, wie aktuell der Landesverband der AfD. Eine extrem rechte Ausrichtung, offene Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern, Verbindungen ins neonazistische Milieu sowie programmatische Hetze gegen Minderheiten und Andersdenkende, waren das Tagesgeschäft der DVU. Auch die Kriminalisierung kritischer Presse, das Gefasel von “der Antifa” und versuche jede Kritik oder Protest als “Linksextremismus” zu ächten, sind nahezu identisch. Tittmann und seine Fraktion provozierten während der Plenarsitzungen, wenn sie überhaupt an den Sitzungen teilnahmen. Beleidigten andere Mitglieder der Bürgerschaft und kassierten nach langatmigen Tiraden Ordnungsrufe. Bevor die Fraktion vor Ende der Legislatur zerbrach, stellte sich heraus, dass die DVU die Fraktionsgelder nicht für die parlamentarische Arbeit ausgegebenen hatte. Sondern vor allem für private Anschaffungen. – Mit Blick auf AfD Fraktionen in anderen Bundesländern, dürfte sich in Bremen kaum eine andere Entwicklung im Parlament abzeichnen. 

Same same but different

Graffitis gegen Propaganda extrem rechter PolitikerInnen, haben sich über die Jahrzehnte hingegen nicht verändert. 

Ähnlichkeiten zwischen den beiden Parteien sind in vielen Bereichen nicht von der Hand zu weisen. Beispiele ließen sich auch mit der rechtsaußen Partei Die Republikaner (REP) anführen. Ihre Möglichkeiten, Strukturen und Netzwerke unterscheiden sich jedoch erheblich von der AfD. Die DVU kommunizierte Jahrzehnte vor allem über das Zeitungsunternehmen “Nationale Zeitung”, des DVU Parteigründers Gerhard Frey. Die AfD verfügt über gigantische Online-Netzwerke, einer Vielzahl ihr nahe stehende Print- und Onlinemedien. Mit denen sie ein Millionen-Publikum erreicht. Auch das Kapital beider Parteien ist kaum vergleichbar. Zum Niedergang der DVU war die Partei schwer verschuldet. Der DVU gelang kaum eine bundesweite Diskursverschiebung und Normalisierung extrem rechter Positionen. Zu unprofessionell waren die Methoden und das Auftreten der DVU AkteurInnen. Während die AfD eine weit ins bürgerliche Milieu reichende Sozialstruktur hat, in Medien ständig präsent ist und Debatten mitbestimmen kann, wurde die DVU weitestgehend in der “Mitte” gemieden. Die AfD ist eng gekoppelt an Höckes “Der Flügel“, welcher wiederum stark beeinflusst wird von neurechten” Vordenkern und Thinktanks mit internationaler Vernetzung. Darunter das “Institut für Staatspolitik” oder das “IB” nahe Netzwerk “Ein Prozent“. Über solche Akteure und wirkmächtigen Netzwerke verfügten DVU und REP nicht. 

Noch nicht im Amt, schon ein Eklat

Die gewählten AfD Akteure sind weder Abgeordnete der Bürgerschaft, noch haben sie irgendwelche Unterzeichnungsrechte. Dafür muss das amtliche Endergebnis festgestellt und beim Wahlleiter, frühestens am 16. Juni, eine entsprechende Erklärung unterschrieben werden. Mitglied der Bürgerschaft bleibt bis zur ersten Sitzung (spätestens am 7. Juli) der AfD Einzelabgeordnete Tassis. Das ist der Bremer AfD in ihrer Machtbesessenheit aber egal. Sie hat in der letzten Woche rechtswidrig ihre erste Fraktionssitzung abgehalten und Thomas Jürgewitz zum Fraktionschef ernannt. Das wird sie in ein paar Wochen wiederholen müssen. Denn die Regeln macht nicht sie, sondern das Bremische Wahlgesetz und fortan die Geschäftsordnung der Bürgerschaft.

Redaktion
AfD Watch Bremen

* In der Stadtbürgerschaft Bremen (Kommunalebene) kann die AfD nur ihre vier Mandate aus dem Stadtgebiet Bremen geltend machen und somit keine Fraktion bilden.