Wie medial umgehen mit Übergriffen der extremen Rechten, verstecken oder sichtbar machen? Und wenn sichtbar machen, in welcher Form? VertreterInnen der beiden Beratungsstellen pro aktiv gegen rechts und Soliport, haben mit ihrem Onlineprojekt keine-randnotiz.de eine Lösung gefunden.
Können Sie sich noch erinnern, vor ein paar Wochen hat eine Gruppe Männer in Bremen Geflüchtete angegriffen? Vor dem Haus einer jüdischen Familie wurde ein Hakenkreuz gesprüht? In der Innenstadt wurde eine Moschee angegriffen? Nein, nicht genau? – Auch wenn in den lokalen Medien oberflächlich solche und ähnliche Fälle aufgegriffen werden, so verschwindet die Vielzahl rechter Gewalt, Alltagsrassismus und neonazistische Propaganda-Delikte schnell wieder aus dem kollektiven Gedächtnis. Eine abstrakte Statistik der Behörden, wie viele rechte Straftaten im Bundesland verübt werden, schafft ebenso wenig unmittelbare Auseinandersetzung mit den Opfern und den Ursachen. Die Dimension rechter Gewalt insgesamt, wird somit oftmals aus den Augen verloren.
Rechte Gewalt sichtbar machen und sichtbar halten
Die ProjektleiterInnen der beiden Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Max Wengel (pro aktiv gegen rechts) und Josef Borchardt (Soliport), demonstrierten am Mittwoch in ihrem Vortrag, die verschiedenen Aspekte eines neuen Projektes zur Dokumentation rechter Gewalt. Im Vordergrund steht für sie zum einen die Möglichkeit für Betroffene, über die Homepage Keine Randnotiz, ihre Erfahrung schildern zu können. Das permanente Monitoring und die Dokumentation rechter Aktivitäten durch die Beratungsstellen, bekommt so ein weiteres Feld. “Vielen Menschen die in unsere Beratung kommen, ist es wichtig, dass ihr Fall öffentlich wird. Sie wollen diese Öffentlichkeit, damit anderen nicht dasselbe passiert.”, so Borchardt. Aber nicht nur unmittelbar Betroffene sollen eine Plattform bekommen. Auch Menschen, die Beobachtungen bspw. zu Alltagsrassismus gemacht haben, sind angesprochen. Zum anderen wird eine geografische Übersicht auf der Homepage ermöglicht, wo sich genau rassistische Vorfälle und Straftaten in der Region ereignet haben und auch wo Häufungen festzustellen sind. “Rassismus soll nicht nur eine Randnotiz sein. Bremen soll dabei aber auch nicht besonders herausgestellt werden, sondern Ereignisse sichtbar gemacht werden”, erklärte Wengel dem Publikum.
Das Projekt erfasst den Zeitraum ab Ende 2016 und wird fortan zukünftige Ereignisse für alle abrufbar dokumentieren. Der Zeitraum ist wohl nicht zufällig gewählt. Anfang 2017 begannen in Bremen die Aktivitäten der extrem rechten AfD Jugendorganisation und der “Identitären Bewegung” sichtbar zu werden. Aber auch andere Aktivitäten von neonazistischen Strömungen sind auf einer Karte zu finden. So wie einzelne, augenscheinlich zusammenhangslose Fälle, die bei oberflächlicher Betrachtung wie Einzelfälle gelesen werden könnten. Dass dem nicht so ist, betonte Wengel: “Wir betrachten das nicht als bloße Abfolge von Einzelfällen. Sondern rassistische Positionen sind viel sagbarer geworden. Die Hemmschwellen zur Tat zu schreiten abgesunken. Insgesamt hat es eine Diskursverschiebung nach rechts gegeben. Offener Rassismus ist inzwischen wieder enttabuisiert. Das lässt sich unter anderem daran erkennen, dass die UrheberInnen rassistischer Hetze in den sozialen Medien, unter ihrem Klarnamen posten”.
Mehr als nur Dokumentation
Gefördert wird das Projekt zum einen aus Landesmitteln, zum anderen durch das Bundesprogramm „Demokratie Leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Förderung ist nicht nur darauf ausgerichtet, Rassismus transparent zu machen. Das Ziel soll auch sein, Initiativen und Verbänden etwas an die Hand zu geben, um darüber ins Gespräch zu kommen, sich zu vernetzen und lokal präventive Strategien zu entwickeln, gegen die zunehmenden Aktivitäten der extremen Rechten.
Mit Blick auf die Gründung des neonazistischen Landesverband der Partei “Die Rechte”, rassistische Agitation der Bremer AfD im Netz sowie im Parlament, ist die Plattform Keine Randnotiz wohl notwendiger denn je. Ob das Sichtbar machen rassistischer Gewalt mitunter eine abschreckende Wirkung auf die rechte Szene entfalten kann, wird sich zeigen.
Redaktion
AfD Watch Bremen
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Den Rechtsruck ansprechen | Portal gegen rechte Gewalt in Bremen ist online