Kyffhäuser Treffen des elitär völkisch-nationalistischen AfD Zirkels “Der Flügel“. V.l.n.r. Andre Poggenburg, Björn Höcke, Andreas Kalbitz, Alexander Gauland, Jörg Meuthen, Ralf Özkara, Eisenach 2017. Bild: Screenshot, FAZ

Das Gutachten des Bundesverfassungsschutzes zur AfD lässt keinen Zweifel an der extrem rechten Ausrichtung der Partei. Statt die AfD aber auszuschließen, sitzt sie weiterhin in Talkshows, füllt die Tageszeitungen und bestimmt die Themen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Verfassungsschutz-Behörde (VS) muss abgeschafft werden. Nicht nur wegen des Versagens und Mitverantwortung in Sachen NSU, nicht nur weil dieser traditionell Extremismus links verortet und zugleich extrem rechte Strömungen ausstattet. Sondern auch, weil dieser Apparat schlicht ein anachronistischer Fremdkörper ist, in einem angeblich auf Transparenz angelegten demokratischen Rechtsstaat. Der abgesetzte VS-Präsident Maaßen, hat kraft seiner Inkompetenz erkennen lassen, dass wer die Macht über diesen Apparat hat, nicht unweigerlich vorbildlicher Demokrat sein muss. Sondern auch selbst den Wahnvorstellungen der extrem Rechten gegenüber aufgeschlossen sein kann. Sogar so weit gehen darf, die AfD vor Beobachtung in Schutz zu nehmen. Kein Wunder also, dass die AfD Maaßen immer noch lobt und verteidigt. Dieselbe Behörde, nun aber unter VS-Präsident Haldenwang, als “politisches Instrument der Altparteien” bezeichnet. Die AfD kritisiert also nicht diesen Apparat. Seine Möglichkeiten gefallen der Partei viel zu sehr. Sondern das Haldenwang mit dem rechten Auge plötzlich in Richtung AfD blinzelt. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen in was diese Behörde kurzerhand umgebaut werden würde, wäre die AfD an der Macht.

Wenn Maßnahmen des Verfassungsschutz gegenwärtig zum Exodus bei den JA Organisationen führt, BeamtInnen panisch die Partei verlassen und wie in Bremen die AfD Führung ihre Jugendorganisation augenscheinlich vor die Tür setzt, dann ist das eine Wirkung, die Strömungen, die sich im Kampf gegen rechts engagieren, nicht ernsthaft ablehnen können. Unkritischer Applaus über diese Vorgänge, bleibt dennoch unangebracht. Die Frage, wie viel wusste der VS in Sachen NSU, muss lauter sein, als die im Grunde schon beantwortete Frage, wie extrem ist die AfD.

Bremer Parteichef Magnitz an vorderster Front (links) mit Höcke und Poggenburg (rechts) auf Demonstration in Thüringen – Bildquelle: Screenshot, ZDF

Das Gutachten

Das Niedersächsische und Bremer Landesamt für Verfassungsschutz hatte im September 2018 die Jugendorganisation der AfD zum Beobachtungsobjekt erklärt. Nur wenige Monate später, am 15.01.2019, erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD zum sogenannten “Prüffall” und stützt dies auf ein durch die Behörde angefertigtes Gutachten. Der Redaktion AfD Watch Bremen liegt eine vollständige Fassung des Gutachtens vor. Auf 436 Seiten werden seitenweise Postings der Parteifunktionäre und Verbände dokumentiert, die eine deutlich menschenverachtende Ausrichtung der Partei bescheinigen. Das gesamte Gutachten stellt vor allem auf die Rhetorik der AkteurInnen ab, strotzt nur so von Bezügen zu antisemitischen Verschwörungstheorien, dokumentiert das parteipolitische Ziel der Rechtlos-Stellung von Minderheiten und Überwindung demokratischer Prinzipien. Das Gutachten attestiert der AfD eine deutliche Positionierung zu Höcke und zum von der AfD organisierten völkisch-nationalistischen Sammelbecken “Der Flügel”. Dass Höcke in dem Gutachten insgesamt 617 mal Erwähnung findet, zeigt wer wohl hauptsächlich die Gründe für eine drohende Überwachung liefert. Gauland und Meuthen, die Parteiführung, sehen jedoch keinen Anlass sich von Höcke zu trennen. Wie auch. Die Partei wäre schon morgen in Auflösung begriffen. Der Höcke-Flügel dominiert die Partei. Die ganze Partei.

“Der Flügel lebt auch in Bremen” kommentiert Bremer JA Chef Robert Teske. V.l.n.r: Thorsten Weiß, Björn Höcke, Robert Teske, Andreas Kalbitz. Januar 2019. Bildquelle: Screenshot, JA Bremen .

Die AfD Bremen

Den Fokus auf Bremen gerichtet, erfasst das Gutachten deutlich die Beziehungen des Landesverbandes und seiner Jugendorganisation zur “Identitären Bewegung” (IB). Erstaunlicher Weise nutzt die Behörde hierzu keine anderen Quellen, als allein die Veröffentlichungen der Parteifunktionäre selbst, wie Robert Teske, Marvin Mergard und Alexander Tassis. Begnügt sich mit der Dokumentation von Postings in social-media Kreisen. Erstaunlich zum einen, weil die Beweislage durch Recherchen verschiedenster journalistischer Publikationen unberücksichtigt bleiben. – Wie kam der VS eigentlich zu seinen Gutachten, als es noch keine social-media Seiten gab? – Zum anderen, dass trotz Ignoranz öffentlich zugänglicher Recherchen zur AfD Bremen, die angeführten Zitate der AkteurInnen bereits für sich schon ausreichend sind, eine deutliche Positionierung zu einem völkisch-nationalistischen Diskurs festzustellen.

Beispiele aus dem Gutachten dokumentieren vor allem die völkisch-nationalistische Diktion, wie sie überwiegend bei der “IB” zu finden ist:  “Der große Austausch ist Wirklichkeit… #Remigration” (Robert Teske, JA Vorsitzender Bremen). “Stoppt die Islamisierung – Stoppt den Großen Austausch!” (JA Bremen). Solche Begriffe, die von der “IB”, dem “IB” und AfD nahen Netzwerk “Ein Prozent” oder in neurechten Magazinen und sozialen Medien gestreut werden, sind die Einstiegsdroge für die Szene. Von dort eröffnet sich sogleich der Weg in die widerwärtige Vorstellung, der Holocaust sei eine Notwehrhandlung gewesen oder sei eine Erfindung der JüdInnen. Von diesem Punkt aus lässt sich für völkische NationalistInnen auch “stolz sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen”, wie Gauland es in einer Rede einforderte.

Tassis bei Übergabe eines antimuslimischen Hetzplakats an Höcke – Erfurt 2016 – Quelle: Facebook, Alexander Tassis

Auch der Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Tassis teilt, laut dem Gutachten, Propaganda des leitenden “IB” Funktionärs, Martin Sellner. Auch der Landesvorstand nutzt die Diktion der “Identitären Bewegung”. In dem Gutachten werden u.a. folgende Posting der AfD Bremen herangezogen: “Der Große Austausch ist kein Mythos, er ist bittere Realität. Alexander Gauland findet hierzu die passenden Worte. Der Bevölkerungsaustausch in Deutschland läuft auf Hochtouren” oder “Blumenthal ist bereits in vielen Gegenden vollkommen überfremdet, aber die Masseneinwanderung hat die Entwicklung verstärkt“. Obgleich das Gutachten nur sehr oberflächlich den Bremer Landesverband und seine Jugendorganisation erfasst und sämtliche Vernetzungen zur “IB” und zur neonazistischen Szene ignoriert, reichen bereits einige Zitate aus, um die Behauptung der Bremer AfD zurückweisen zu können, sie sei eine demokratische Partei. Sie ist eine völkisch-nationalistische Partei und das wissen die Höcke zugewandten AkteurInnen im Landesvorstand auch ganz genau.

Gegenwärtig propagiert der Landesvorstand, dieser sei “nur zum Prüffall” erklärt worden und bräuchte keine Konsequenzen fürchten. Tatsächlich aber hat Bremen ein anderes Verfassungsschutz-Gesetz. In Bremen ist der Landesverband laut Gesetzestext damit automatisch zum “Verdachtsfall” erklärt worden. Am 25.01.2019 stimmte Bremens Innensenator der Einstufung des VS zu. Nachrichtendienstliche Mittel könnten in Bremen sofort eingesetzt werden. Ob der Bremer VS von dieser gesetzlichen Sonderstellung auch Gebrauch macht, ist vom Innensenator der Presse gegenüber nicht erklärt worden. Der erkennbare Plan vom Landeschef Magnitz, sich den Verfassungsschutz mit der Isolation seiner Jugendorganisation noch fernhalten zu können, geht also nicht auf. Der Landesverband Bremen wird faktisch vom Verfassungsschutz in der Kategorie “Rechtsextremismus” beobachtet. Auch die von der AfD angekündigte Klage dagegen, ist von Anfang an aussichtslos. Die Beweislage ist eindeutig. 

Gauland und die AfD bekommen bei Maischberger zur besten Sendezeit Raum, Höcke zu verteidigen und ihre Überwachung als Verschwörung umzudeuten. Bildquelle: Screenshot, ARD. 23.01.2019

Die Medien

Trotz dessen muss die AfD sich bisher nicht rechtfertigen oder zurückweichen. Sie hat den gesellschaftlichen Diskurs schon so weit verschoben, dass sie in bürgerlichen Medien feste Plätze bekommt und dort empört Behörden und Regierungen zur Rechtfertigung für das Gutachten auffordern darf. Wer Gauland diese Woche im WDR Format Maischberger so zuhörte, sollte den Eindruck bekommen, der Staat sei eine linksradikale Organisation, die sich zum Ziel gesetzt habe Volk und Nation abzuschaffen. Während Gauland das zur besten Sendezeit sagt, sitzen fünf Leute um ihn herum und sind sich nicht zu blöde, Gaulands Propaganda bürgerlich einzukleiden. 

Die Bundes-Funktionäre der AfD, die aktuell in öffentlich-rechtlichen Talkshows und in Printmedien Gelegenheit bekommen die über sie dokumentierten Tatsachen zu leugnen, sind laut dem Gutachten in diese ultrarechten Bezüge weitreichend verstrickt. Sie haben also gute Gründe im öffentlich-rechtlichen Sendeformaten aufzutreten und das Opfer zu spielen. Gute Gründe AfD-FunktionärInnen diesen Raum zu geben, gibt es hingegen nicht. Auch nicht dem Co-Vorsitzenden der AfD, Jörg Meuthen. Der in der Diktion der “IB” auf Parteitagen spricht oder wie Gauland beim “Kyffhäuser-Treffen”. Meuthen distanziere sich “keineswegs von der aggressiven Diktion der Flügel-Protagonisten”, sondern rekurriere “auf ähnliche Sprach- und Stilmittel”. Stellt das Gutachten fest. Auch greift der Co-Vorsitzende der Bundes-AfD auf solchen Treffen “auf eine aggressiv fremdenfeindliche Rhetorik zurück”, heißt es an anderer Stelle. Gauland und Meuthen werden in den Gutachten nicht als die “gemäßigten” definiert, sondern als integraler Teil des völkischen-nationalistischen Diskurses dieser Partei. 

Höcke im Interview mit Journalistin Amman für den SPIEGEL. Das Magazin Übermedien hat das Interview treffend analysiert. Bildquelle: Übermedien

In bürgerlichen Medien werden Gauland und Meuthen nicht gefragt, warum die beiden führenden Köpfe der AfD im neurechten “Insititut für Staatspolitik” an den halbjährlichen “Akademie”-Wochenenden vor “IB” Kader und ähnlich extrem rechten AkteurInnen, völkisch-nationalistische Reden halten. Im Sommer 2018 sitzen der Bremer “IB” Kader Jonas Schick zusammen mit AfD Bundessprecher Meuthen bei Kubitschek und denken laut darüber nach, wie sich eine autoritäre Revolte umsetzen lässt. Gauland war erst am 19.01.2019 zusammen mit Höcke dort und erneuert vor diesen Neurechten sein Bekenntnis zur “sozial-patriotischen” Höcke-Linie. Am 23.01.2019 sitzt derselbe Gauland bei Maischberger und gibt den empörten Ahnungslosen. Der gar nicht wisse, was seine Partei mit Extremismus zutun habe. Maischberger und Co. fragen nicht, warum der Bundesvorstand, trotz drohender VS Überwachung weiterhin diese ultrarechten Kreise unterstützt. Warum der Bundesvorstand die “IB”, Höcke und Kubitschek legitimieren. Dessen Strukturen und Netzwerke unbeeindruckt vor aller Augen weiter befördern

Gauland und Co. wissen, dass sie in bürgerlichen Medien einen Angriff auf ihren Diskurs und ihre Pläne nicht zu fürchten haben. Dass die PR-Strategie der AfD voll aufgeht, wenn Studiogäste Gauland beispringen und vor Millionen ZuschauerInnen zustimmen, dass die AfD vom VS und Regierungen ungerecht behandelt würde. – Wäre es anders, würden Formate wie Maischberger und Co. von der AfD nicht umgarnt. Sondern verklagt, verleumdet und von den Fans der Partei beleidigt und bedroht. Kritische Medienformate wissen das. Sie sind es, die die AfD fürchtet. Aber warum den Diskurs der AfD kritisch angreifen, wenn sich auch entspannt AfD Positionen im Rampenlicht der ARD normalisieren lassen. Da hilft auch nicht Beobachterin der AfD und Spiegel-Redakteurin, Melanie Amman, neben Gauland zu setzen und “Ja, aber..” und “Herr Gauland, Sie sind rassistisch!” sagen zu lassen. – Natürlich ist Gauland ein Rassist. Wer hat das bestritten? 

Warum Talkshows und führende Printmedien völkisch-nationalistische DemagogInnen zu Wort kommen lassen und nicht Opfer-Verbände rassistischer Gewalt? Warum bürgerliche Medien der AfD immer noch Raum geben ihre gefährliche Propaganda auszubreiten? Warum die AfD immer noch die Themen bestimmt und nicht diejenigen die ihrer politischen Hetze zum Opfer fallen? – Die Antworten darauf müssen diskutiert werden. Ohne die AfD! 

Redaktion
AfD Watch Bremen

Gutachten des BfV