Direktkandidat Thomas Jürgewitz, am 22.05.2021 im Bremer Stadtteil Mahndorf. Seine Anreise aus Bremerhaven vergeblich. Der Parteitag platzte. Der Bremer Landesverband bleibt im Bundestagswahlkampf ohne Parteichef. Bild: Recherche Nord.

Der Bremer Landesverband ist im Bundestagswahlkampf angekommen. Die Landesführung und Kandidaten geben sich bürgernah und versöhnlich. Bürgerschaftsabgeordneter und Direktkandidat Thomas Jürgewitz, verkauft einen haltlos zerstrittenen Landesverband als liebreizende Musterpartei. Erzwingt jedoch hinter den Kulissen einen Spitzenkandidaten, der weder parteiintern gewollt, noch der ist, für den er sich ausgibt.

Im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Grund also für die Bremer Medienlandschaft Interviews mit den SpitzenkandidatInnen der Landesparteien zu führen. Der in Bremen unbekannte Spitzenkandidat der Bremer AfD, Olaf Kappelt, war für Interviews jedoch noch nicht zu erreichen. Ein Novum während einer so wichtigen Bundestagswahl. Lediglich der chancenlose Direktkandidat Thomas Jürgewitz, des Wahlkreises 55 und bereits Abgeordneter in zwei Bremer Parlamenten, tritt vor die Kamera. Im Interview mit dem Sendeformat Buten un Binnen, gibt sich Jürgewitz “gemäßigt” und trotz aller Aussichtslosigkeit siegesgewiss. Seine bisherigen Auftritte in der Bremer Bürgerschaft sind hingegen alles andere als gemäßigt. Die demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft sind es inzwischen gewohnt, mit absurden Tiraden von Jürgewitz beleidigt zu werden. So ein Auftreten, das weiß der Bremerhavener Kreisverbandschef Jürgewitz, kann er sich im Interview mit Radio Bremen im Bundestagswahlkampf nicht leisten. Die bürgerlich-konservativen WählerInnen schauen zu. Und genau die will die AfD laut ihres Wahlkampfstrategie-Papiers 2021 erreichen. Die extrem rechten WählerInnen hat sie bereits abgeschöpft und mit denen ist sowieso kein Staat zu machen. Der Ton also gemäßigt. Das war es aber auch.

Inhaltlich bleibt die Bremer AfD sich treu. So erklärt Jürgewitz gegenüber dem Journalisten Felix Krömer, warum der Spitzenkandidat der Bremer AfD ausgerechnet aus Cuxhaven/Stade kommt: “Wir in Bremerhaven wollten einen Kandidaten, der über eine gewisse Reputation verfügt und auch die innerparteilichen Gräben überbrücken kann“. – Dass in Bremen also sonst niemand über eine Reputation verfügt und Gräben überbrücken kann, der nahe liegende Umkehrschluss. Aus Perspektive einiger FunktionärInnen der Bremer AfD, klingt dieses “Wir”, von dem Jürgewitz spricht, jedoch alles andere als versöhnlich. Bei der parteiinternen Wahl zur Spitzenkandidatur von Olaf Kappelt, schlugen die Wellen im Bremer Landesverband hoch und sorgen nun für neue Eskalationen.

Wer nicht mitspielt, fliegt raus

Wolfgang Rabe (links im Bild) beim Landesparteitag am 22.05.2021. Bild: Recherche Nord.

So erklärt der Bremer AfD-Funktionär und parteiinterne “Wahlvertrauensperson”, Wolfgang Rabe, in einem Schriftsatz an den Bremer Landeswahlausschuss, zur Wahl des Spitzenkandidaten Olaf Kappelt: “Nach der Wahl sind mir Sachverhalte bekannt geworden (..), die zur Befürchtung Anlass geben, dass diese Aufstellungsversammlung nicht korrekt durchgeführt wurde. Der AfD-Landesverband verweigert mir Zugang zu Unterlagen, die zur Aufklärung dieser Sachverhalte beitragen könnten“. Weiter heißt es in dem Schreiben: “Bei der Aufstellungsversammlung wurde der bis dato völlig unbekannte Kandidat Dr. Olaf Kappelt” den anwesenden wahlberechtigten Mitgliedern vorgestellt. (..) dieser Kandidat hat es unterlassen, die Mitglieder darüber zu informieren, dass gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren anhängig ist. Der Kandidat Dr. Kappelt versucht sogar unliebsame Konkurrenten mit Einschüchterungen durch Unterlassungserklärungen (..) an der Veröffentlichung von Tatsachen zu hindern“. Abschließend erklärt Wolfgang Rabe dem Landeswahlausschuss: “Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der derzeitige AfD-Rumpf-Vorstand mir mit einem Parteiausschlussverfahren gedroht hat, sollte ich die Kandidatur des Dr. Olaf Kappelt nicht unterstützen”.

Die Einlassungen von AfD-Funktionär Rabe bezeugen wohl das Gegenteil von angeblicher “Einigkeit” in einem neuen “Wir”, innerhalb der Partei. Gravierender noch, die verschiedenen Strömungen im Bremer Landesverband überziehen sich seit 2015 permanent mit Parteiausschlussverfahren, um die jeweilige Gegenseite daran zu hindern, ihre KandidatInnen und jeweiligen Ziele zu etablieren. So ist bspw. der Bremer Landesverband gegenwärtig der einzige in der gesamten Bundesrepublik, der inmitten des Bundestagswahlkampfs über keinen Parteivorsitzenden verfügt. Ein Parteitag zur Wahl eines neuen Parteichefs, war erst kürzlich geplatzt. Der letzte Landeschef, Peter Beck, attestierte der AfD gegenüber Radio Bremen “rechtsextrem” und nicht reformierbar zu sein. Beck verließ die AfD. Der freie Posten weckt Begehrlichkeiten. Die völkisch-nationalistische Fraktion um Frank Magnitz will wieder auf den Chefposten. Das will ein Teil des Landesverbandes verhindern. So streiten mindestens drei Blöcke um die Partei. Die inzwischen nur noch wertlose Beute ist, sich zerfleischender Wölfe im Schafspelz. Ein Verband der auf parlamentarischer Ebene inzwischen, durch anhaltende Streitigkeiten, Millionen an öffentlichen Subventionen verloren hat. Effektiver wäre es inzwischen, wenn der Bundesvorstand den Landesverband einfach auflöst. Besonders, wenn inmitten des Wahlkampfes, der besonders radikale Teil Kandidaten durchpeitschen lässt, die weder zuvor im Landesverband bekannt waren, noch in ihrer Bewerbung die sind, für die sie sich ausgeben.

Kappelt hinterlässt verbrannte Erde

So zeigt der weitere Schriftverkehr an den Bremer Landeswahlausschuss, dass Olaf Kappelt sicher nicht der ist, der “parteiinterne Gräben überbrücken kann“. In einem vom Vorstand unterzeichneten Schriftsatz des AfD-Kreisverbandes Oberspreelausitz, Landesverband Brandenburg, dem Olaf Kappelt bis 2019 angehörte, heißt es: “Dr. Olaf Kappelt fügte dem Kreis- und Landesverband der AfD derart Schaden zu, der mit nichts, aber auch gar nichts entschuldbar ist“. Zur Begründung versichert der Kreisverband: “Sie haben mittels Ihrer Mailadresse, die Sie durch Ihren Arbeitgeber MdB Jörn König, im Bundestag erhalten haben, (..) aktuelle Informationen zum Direktkanidaten der AfD in diesem Wahlkreis erschlichen. Weiter heißt es: “Trotz Brisanz dieser vertraulichen Informationen (..), veröffentlichten Sie diese Informationen innerhalb des Kreisverbandes. Durch Ihre Interpretation der vertraulichen Informationen, initiierten Sie ein Mitgliederbegehren, um den Vorstand zu einer Neuwahl-Veranstaltung des Direktkandidaten zu nötigen. An anderer Stelle heißt es: “Herr Dr. Kappelt, Sie missbrauchen die Gutgläubigkeit einiger Mitglieder, um Unterschriften für ein Mitgliederbegehren zu sammeln, mit welchem Sie von ihrer Weigerung der Unterschriften auf Wahlunterlagen ablenken und die Schuld für eine etwaige Ablehnung des Wahlvorschlags den Vorstand in die Schuhe schieben wollen”. Und der Kreisverband führt aus: “Sie haben ein Schreiben in Umlauf gebracht, mit welchen Sie den Vorstand massiv verleumden, einen nicht näher eruierenden Mitgliederkreis gegen den Vorstand aufhetzen und erneut Tatsachen verdrehen. Den Vorstand eines Rechtsbruchs zu bezichtigen, weil er sich von Ihnen nicht erpressen lässt (..), ist an Perfidie kaum zu übertreffen. Und der Vorstand führt aus, dass der Wohnort-Wechsel von Olaf Kappelt in Verbindung mit einem Wechsel in einen anderen Landesverband, lediglich das Ziel hat, “(..) sich dem laufenden Ausschlussverfahren zu entziehen“, so der AfD-Kreisverbandsvorsitzende Silvio Wolf.

Das ist also der Spiitzenkandidat der Bremer AfD zur Bundestagswahl, der “Brücken schlagen” soll. Der in seinem letzten Landesverband offenkundig verhasst ist und zukünftig wohl nicht nur einem Parteiausschlussverfahren entgegen sieht. Ein “Spitzenkanidat” wie ihn sich der Bremer AfD Abgeordnete Thomas Jürgewitz wünscht. Ein unbekannter Unruhestifter, der ohne erkennbaren Grund für die Bremer AfD in den Bundestag ziehen soll. Die von Jürgewitz im Interview beschworene neue “Einigkeit”, ist angesichts objektiv belegbarer Tatsachen, nichts weiter als eine versöhnliche Lüge, die potentiell bürgerliche WählerInnen beschwichtigen soll. Tatsächlich ist der Bremer Landesverband durch die Wahl von Kappelt nun noch zerstrittener als je zuvor. Die großkotzigen Töne von Jürgewitz im Interview mit Radio Bremen, von einer vermeintlich: “großen Mehrheit die Olaf Kappelt gewählt” hätte, dient lediglich strategischer Ablenkung über die Wut die im Landesverband über den parteiinternen Wahlausgang herrscht.

Rechts, aber nicht rechtens

Silke Jünemann (rechts im Bild) beim Landesparteitag der Bremer AfD. Sie wurde durch ihre Weigerung das Protokoll der Aufstellungsversammlung zu unterzeichnen zur zentralen Figur. Ihre Weigerung zwang den Wahlausschuss die Kandidaturen der AfD zunächst nicht zuzulassen. Bild: Recherche Nord

Laut Dokument zur Aufstellungsversammlung vom 19.07.2021, bezeugt die Schriftführerin Silke Jühnemann dem Landeswahlausschuss: “(..) das Ergebnis für Kappelt als Zweitplatzierter im 1. Wahlgang, kam nur mit einer Stimme mehr gegenüber dem Drittplatzierten Löhmann in den zweiten Wahlgang“. Weiter heißt es: “Nicht alle stimmberechtigten Mitglieder wurden geladen. Deren fehlende ordentliche Ladung hat gravierende Auswirkungen auf das Wahlergebnis zur Landesliste“. Laut Aktenvermerk waren insgesamt lediglich 32 Mitglieder an der Wahl der Kandidaten beteiligt. Seltsam, wo Jürgewitz noch 2019 dem Landgericht Bremen versicherte, der Landesverband habe 165 Mitglieder. Jünemann war das AfD-Mitglied und Schriftführerin, die ihre Unterschrift auf dem Protokoll verweigerte und somit am 30.07.2021 den Bremer Wahlausschuss zwang, die Landesliste der Bremer AfD zur Bundestagswahl vorläufig nicht zuzulassen. In ihrem Schreiben an die Komission versichert sie, dass die Wahl in keinster Weise den Wahlvorschriften genügte. Sie schildert als zuständige Funktionärin eine Vielzahl von Mängeln, die sie schlussendlich veranlasste, dem Ausschuss gegenüber zu verweigern, die Richtigkeit der parteiinternen Wahl an Eides statt zu versichern. Der Landesvorstand, vertreten durch den Vize des AfD-Landesvorstandes Sergej Minich, behauptete im Schriftsatz an den Wahlausschuss genau das Gegenteil und stellte lediglich auf das Wahlgesetz ab. Erklärte aber nicht, wieso es bei der Wahl diese Mängel gab und versuchte das ganze als privaten Rachefeldzug von Jünemann darzustellen. Seine Einlassungen sind insgesamt wenig plausibel.

Was niemand wissen soll

Die Akte an den Landeswahlausschuss ist angefüllt mit gegenseitigen Anschuldigungen, Prozessandrohungen, Aufforderungen zu Unterlassungserklärungen und grotesken Zitaten. So fordert der Rechtsbeistand von Olaf Kappelt den Bremer AfD-Funktionär Wolfgang Rabe auf. bestimmte Äußerungen im Landesverband zu unterlassen. So heißt es im Schreiben des Rechtsanwaltes von Kappelt, Joachim N. Steinhöfel, an Rabe: “(..) zum einen behaupten Sie, unser Mandant (Kappelt) habe früher einen Puff betrieben. Zum anderen teilen sie den Teilnehmern der Konferenz mit, gegen unseren Mandaten laufe ein Parteiausschlussverfahren“. Rabe soll diese Behauptungen durch “Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklarung” nicht wiederholen. Grotesk ist dabei der Aspekt, dass der Spitzenkandidat der Bremer AfD Kappelt, der dem Kreisverband Cuxhaven angehört, es einem Bremer AfD-Funktionär verbieten lassen will, objektiv nachprüfbare Tatsachen weiterhin öffentlich mitzuteilen.

So ist es Fakt, dass Parteiauschlussverfahren gegen Dr. Olaf Kappelt anhängig sind (Schriftsatz liegt uns vor) und das weiß Kappelt auch. Diese Tatsache wurde noch einmal schriftlich vom AfD-Landesverband Brandenburg aktuell bestätigt. Zum anderen war Kappelt tatsächlich Betreiber eines Bordells. So steht in allgemein zugänglichen Quellen zu lesen: “In den 90er Jahren lebte Kappelt in Rothenburg ob der Tauber, wo er ein Mittelalter-Restaurant betrieb und das Traditionsreiche Hotel Bären zeitweilig als Erotik-Hotel führte, bis er im Jahr 2000 Konkurs anmelden musste“. Wolfgang Rabe schließt seinen Schriftsatz mit der Feststellung, dass Dr. Olaf Kappelt durch einen “Bremerhavener AfD-Kandidaten in einem handstreichähnlichen Vorgang eingeschleust wurde”. Diese Einlassung des Bremer AfD Funktionärs zielt offensichtlich in Richtung des Bremerhavener AfD-Kandidaten Thomas Jürgewitz. Seine Scharade zum Spitzenkandidaten Kappelt, bekommt in der Wiederholung nun eine ganz andere Konnotation:

Wir in Bremerhaven wollten einen Kandidaten, der über eine gewisse Reputation verfügt und auch die innerparteilichen Gräben überbrücken kann“. 

Nun, viel Spaß bei der Suche. 

Redaktion
AfD Watch Bremen