Michael Stürzenberger auf dem Bremer Hanseatenhof am 06.08.2022.

Vergangenen Samstag hetzt die antimuslimische Organisation “Pax Europa” in der Bremer Innenstadt mehrere Stunden nahezu ungestört gegen Muslime und Geflüchtete. Ihr mehrfach vorbestrafter Rädelsführer Michael Stürzenberger, reist aktuell wieder durch die Bundesrepublik und schürt mit Ressentiments Hass gegen Muslime.

Über einem Aufbau aus Tischen und Absperrbändern der (rechts-)extremistischen Organisation “Bürgerbewegung Pax Europa e.V.”, weht am Samstagmittag auf dem Bremer Hanseatenhof eine deutsche und eine israelische Flagge. Das “christlich-jüdische Abendland” wollen die Veranstalter angeblich beschützen. Manche der AkteurInnen tragen riesige Davidsterne und dazu Kreuze um den Hals. Eine jüdische Organisation die das auch so sieht, gibt es nicht. Der Verfassungsschutz attestiert dem Verein “islamfeindliche Bestrebungen” und stellte ihn unter Beobachtung.

In den Seitenstraßen steht ein massives Polizeiaufgebot, um eine befürchtete “Störung durch die Antifa” zu unterbinden. Tatsächlich wird es an diesem Tag lediglich zu verbalen Äußerungen einer kleineren Gruppe AktivistInnen kommen. Auf einem Stapel Flyer und großflächigen Plakaten der Veranstalter, wird ausschließlich und pauschalisierend “der Islam” und “die Muslime” thematisiert. Auffallend ist die ständige Wiederholung des irreführenden Begriffs “politischer Islam”. Was hier den Eindruck erwecken soll, der Verein würde “differenziert” zwischen politisch motivierten Islamismus und muslimischen Religionsgemeinschaften unterscheiden, entpuppt sich lediglich als ein mieser Trick. Tatsächlich lässt sich an diesem Nachmittag anhand zahlreicher Äußerungen und Darstellungen feststellen, dass der Begriff “politischer Islam” hier lediglich dem Zweck dient, juristisch nicht in Verantwortung für hetzerische Äußerungen gezogen werden zu können.

Riesige Tafeln mit vermeintlichen Aussagen und Zitaten von bekannten und unbekannten Personen, werden wie in einer sechs stündigen Powerpoint-Präsentation von “Pax-Europa”-AkteurInnen aufs Stichwort der Redner hochgehoben und als vermeintlicher “Beweis” dem Publikum vor Ort und online präsentiert. Wer die Zitate in die Suchmaschine eingibt, entdeckt oftmals, dass diese Aussagen nicht so getroffen wurden und bewusst verzerrt einem antimuslimischen und kulturrassistischen Narrativ angepasst sind. Die diversen Zitate aus dem Koran sind insgesamt aus dem Kontext gezogen. Ähnlich manipulativ verhält es sich mit den “zufälligen” Publikum, das bereit steht, den drei Rednern auf dem Hanseatenhof in allem unwidersprochen am Mikrofon beizupflichten und sich in auffällig gleich formulierten Lobeshymnen über den Verein zu ergießen. Später, am Ende der Veranstaltung, tauchen dieselben Personen wieder auf und scheinen die Veranstalter bereits bestens zu kennen.

Latente Volksverhetzung als Konzept

Selbstverständlich geht es den AkteurInnen von “Pax Europa” an diesem Nachmittag weder um Differenzierung, noch um Dialog. Ihre vordergründigen Inszenierungen, angeblich nichts gegen “friedliche Muslime” zu haben, sind letztendlich Schutzbehauptung. Über Stunden steigern die Protagonisten ihre fundamentale Feindschaft gegenüber Muslime und Geflüchtete. Rücken sämtliche Negativ-Eigenschaften der Menschheit in die Nähe dieser Religionsgemeinschaft. Vergewaltigungen, Morde und Terror. Sogar Holocaust und zweiter Weltkrieg sollen in Mitverantwortung von Muslime stehen. Gewarnt wird an diesem Nachmittag vor einer schleichenden “Islamisierung Europas” und einer “Einwanderung in die Sozialsysteme”. Eine rassistische Erzählung mit der Pegida und AfD groß geworden sind. Das Ziel dieser Erzählung ist die Stigmatisierung und Ausgrenzung aller Muslime in Deutschland und Europa. Eine Form der Hetze, die schlussendlich Gewalt legitimiert. Über diesem Konzept steht der Rädelsführer der Organisation sowie Hauptredner an diesem Nachmittag, Michael Stürzenberger. 

Stürzenberger professionalisiert seit 2014 seine Hetze gegen Muslime. Damals inmitten brennender Asyleinrichtungen und einer von rechts orchestrierten Pogrom-Stimmung gegen Geflüchtete, in der gesamten Bundesrepublik. Eine Phase der Normalisierung extrem rechter Positionen, forciert von rechten Thinktanks, zu deren Erfolgen die Etablierung von “Pegida” und AfD gehören. Schnell hatte Stürzenberger durch seine Auftritte und Publikationen enge Kontakte zur rechten bis extrem rechten Szene in dieser Phase aufgebaut. Kontakte die Stürzenberger immer wieder leugnet.

Auf Bühnen von “Pegida” brachte er es mit gemeinsamen Auftritten von Akteuren der rechten Szene, u.a. mit dem Rechtsextremisten Martin Sellner, zu größerer Bekanntheit. Gemeinsam schürten sie trotz Anschläge auf Moscheen und Asyleinrichtungen weiter Hass gegen Geflüchtete. Nahmen billigend in Kauf, dass ihre Reden die Pogrom-Stimmung weiter anheizen. Auf dem extrem rechten Blog “PI-News” brachte und bringt es Stürzenberger bis heute, regelmäßig mit rassistisch motivierter Vorverurteilungen von Geflüchteten und Muslime, zu tosenden Applaus der rechten Szene.

Wie sehr Stürzenberger von der rechten Szene abhängig ist, zeigte sich auch in seinen Reden in Bremen. Während er immer wieder von “Linksextremismus” und “radikalen Muslimen” spricht, erwähnt Stürzenberger mit keinem Wort Terroranschläge und Morde der extremen Rechten. Die Anschläge von Hanau und Halle hat es in seiner Erzählung nie gegeben. Stattdessen wird 9/11 als “aktueller Beweis” thematisiert. Leugnet sogar Rechtsextremismus als Gefahr. Schaut immer wieder in die Kamera zu seinem Livestream, der bei “PI-News” ausgestrahlt wird.

Während Stürzenberger und seine “Gäste” reden, verfälschen sie Statistiken, historische Ereignisse, relativieren, pauschalisieren und deuten um. Alle Aussagen zielen schlussendlich darauf ab, Muslime als Hauptursache aller Konflikte und Gewalttaten in Deutschland und Europa verantwortlich zu machen. KritikerInnen, die Stürzenberger per se als “Linksextreme” bezeichnet, finden lediglich Erwähnung, um sie als vermeintliche “Unterstützer des Islam” abzuwerten. Seine Koran-Zitate werden in genau der Logik verkürzt und aufbereitet, wie sie von islamistischen Terrororganisationen propagiert werden. Macht schlussendlich deren Geschäft mit der Angst und negiert bewusst die Tatsache, dass Milliarden Muslime friedlich leben. Nicht selten scheinen seine hetzerischen Äußerungen auch an diesem Nachmittag strafrechtlich relevant zu sein.

Stürzenberger mehrfach vorbestraft

Das Bayrische Landesamt für Verfassungsschutz stellte Stürzenberger und “PAX Europa” aufgrund verfassungsfeindlicher Bestrebungen unter Beobachtung. So heißt es in einer Veröffentlichung: “Es liegen zahlreiche tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass Stürzenberger und sein Umfeld verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen verfolgen“. Mit “Umfeld” meint der Geheimdienst unter anderem “Pegida”, den Verein “PAX Europa” und auch “PI-News”. 

Bereits im Oktober 2014 verurteilte das Amtsgericht München Stürzenberger aufgrund “Beschimpfung von Bekenntnissen von Religionsgemeinschaften” zu einer Geldstrafe von 2.500 Euro. Anlass war ein Artikel von Stürzenberger auf dem extrem rechten Blog “PI-News”, in dem er den Islam als „Krebsgeschwür“ verunglimpfte. 2015 bei einer “Pegida”-Veranstaltung bezeichnete Stürzenberger alle Muslime generell als “potentielle Terroristen”. Das Gericht verurteilte ihn Aufgrund von “Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren” zu Freiheitsstrafe von vier Monaten (auf Bewährung) und zu einer Geldstrafe.

Im Dezember 2017 verurteilte das Amtsgericht Duisburg Stürzenberger wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 2.400 Euro. Bei einer “Pegida”-Veranstaltung im Jahre 2015 hatte er unter anderem von einer „Invasion aus dem islamischen Raum” gesprochen. 2020 verurteilt das Amtsgericht München ihn erneut aufgrund von Volksverhetzung. Auch das Augsburger Landgericht verurteilt ihn im März 2022 wegen Volksverhetzung, zu sieben Monaten Haft auf Bewährung. Auf dem Hanseatenhof darauf angesprochen unterschlägt er sämtliche Vorstrafen und nutzt die Kritik zur Selbstverharmlosung.

Das Geldstrafen überhaupt keine mäßigende Wirkung auf den inzwischen mehrfach verurteilten Stürzenberger und dem Verein “PAX Europa” entfalten, zeigte sich auch vergangenen Samstag in Bremen.

Erneut diskriminierende Hetze gegen Muslime

Kaum nimmt Stürzenberger das Mikrofon auf dem Hanseatenhof in die Hand, beginnt auch schon die kultur-rassistische Agenda dieser Szene. Stürzenberger und seine drei Redner betonen an diesem Nachmittag “es geht uns nur um Kritik am politischen Islam“. Menschen die an der Veranstaltung vorbeilaufen, erleben das über Stunden offensichtlich anders. Betonen persönlich durch die Reden beleidigt und verunglimpft zu werden, reagieren vorhersehbar wütend. Laufen immer wieder in die strategische Falle der Akteure, sprechen wütend und verunsichert in die Mikrofone, die Stürzenberger nicht aus der Hand gibt. Mikrofone die er jedem sofort entzieht, wer potentiell die dämonisierenden Behauptungen an diesem Tag zu widerlegen droht. Reagiert ein Muslime verärgert, nutzt er das als “Beweis” für die vermeintlichen Unwillen von Muslime zum Dialog. Impliziert immer wieder was die Menschen denken würden. Behauptet die protestierenden ZuschauerInnen würden sich über Terroranschläge und Vergewaltigungen durch Muslime amüsieren. Nichts dergleichen lässt sich vor Ort beobachten. Nicht selten lässt sich dokumentieren, dass Stürzenbergers Äußerungen von PassantInnen vollständig ins Gegenteil verkehrt, um das eigenen Narrativ aufrecht erhalten zu können.

Eine kleinere rechte Szene steht am Rand und applaudiert. Selbst dort noch, wo sich die Veranstalter offenkundig widersprechen. Der rechte Mob besteht an diesem Nachmittag aus einer keinen Gruppe junger Neurechter und ein paar ergrauten Wutbürgern. Der “Erfolg” der Veranstaltung liegt in der digitalen Welt. Vor Ort sind die klatschenden ZuschauerInnen kaum der Rede wert.

Das Feigenblatt vermeintlicher “Differenzierung”,  die Stürzenberger immer wieder bei seinen Auftritten behauptet, kann auch in Bremen an diesem Nachmittag keine Glaubwürdigkeit genießen. Zum einen nicht, aufgrund zahlreicher Beiträge, Einordungen von ExpertInnen, mehrfacher Verurteilung durch Strafgerichte und Erkenntnisse der Behörden, die deutlich gemacht haben, dass es Stürzenberger bei seinen Auftritten nicht um “Kritik” geht. Zum anderen, weil “Pax Europa” und Stürzenberger auch in Bremen in den sechs Stunden ihres Auftritts, sich wiederholender Stigmatisierungen und herabwürdigenden Äußerungen, in ihrer Gesamtheit erneut das Ziel verfolgten, Muslime und ihren Glauben generell herabzuwürdigen und zu kriminalisieren.

Im Bericht des Bayrischen Verfassungsschutzes heißt es entsprechend: “Zwar gibt Stürzenberger in verschiedenen Verlautbarungen immer wieder an, lediglich sachlich über die angebliche Verfassungsfeindlichkeit des Islam und die von ihm ausgehenden Gefahren für die Demokratie aufzuklären, worin keine generelle Verunglimpfung, weder der Religion, noch von Muslimen liege. Aus der Gesamtschau der Vielzahl an Äußerungen aber, in denen den Muslimen unterstellt wird, islamistische oder gar terroristische Verhaltensweisen seien nicht die Ausnahme, sondern der alltägliche Normalzustand, lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Äußerungen darauf abzielen, Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit auszugrenzen und abzuwerten”.

Fehlendes Demokratieverständnis Bremer Behörden

Die Bremer Polizei soll sich durch das “Kommunikationsteam” vor Ort auf Anfragen von PassantInnen dahingehend geäußert haben, dass sie nichts an den Verlautbarungen der Veranstalter zu beanstanden habe. “In einer Demokratie müsse das nun mal ausgehalten werden“, sollen BeamtInnen geäußert haben. Zudem würden die Protestierenden “solche Äußerungen provozieren“. – Sind diese Aussagen zutreffend, so ignoriert die Bremer Polizei die Einordnung von Sicherheitsbehörden und ExpertInnen anderer Bundesländer zu den Auftritten von Stürzenberger und “Pax Europa” und macht sich die Selbstverharmlosung der Protagonisten zu eigen.

Die bereits erfolgten Einordung von Sicherheitsbehörden anderer Bundesländer zu den Aktivitäten des Vereins sowie jene von Stürzenberger, machen deutlich, dass die islamfeindliche Hetze eben nicht als Teil eines Meinungspluralismus innerhalb einer liberalen Demokratie zu verstehen ist. Sondern sich außerhalb eines demokratischen Diskurses als “verfassungsfeindliche Bestrebung” darstellt. Seine kürzlich erfolgte Verurteilung aufgrund von Volksverhetzung zu sieben Monaten auf Bewährung, lassen indes nicht den Schluss zu, dass hier etwas “auszuhalten” sei. Antimuslimische Hetze von ganz rechts bis in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft, die zahlreiche Terroranschläge legitimiert hat, muss eine Demokratie genauso wenig aushalten, wie religiös motivierte Hassreden. 

Ähnlich gleichgültig verhielt sich die Bremer Polizei bereits bei antisemitischer Hetze auf Bühnen der “Querdenken”-Szene oder auch während Hunderte radikale AntisemitInnen mit Symbolen, Fahnen und Sprechchören auf dem Domshof nachweislich die Auslöschung Israels forderten. Anschließend setzten sich Vertreter scheinheilig in die Bremer Innendeputation und erklärten, nichts dergleichen beobachtet zu haben. 

Wer mit so einem kruden Demokratieverständnis auf menschenfeindliche Hetze reagiert, macht die Exekutive unweigerlich zum Erfüllungsgehilfen (rechts-)extremistischer Organisationen.

Redaktion
AfD Watch Bremen