Rechtsextreme AkteurInnen der sogenannten “Corona Rebellen” veranstalten aktuell jeden Freitag, 18 Uhr, unter dem Deckmantel vermeintlicher “Kritik an Hygiene-Maßnahmen”, ihre rassistischen und antisemitischen Aufmärsche in Bremerhaven. Hervorgegangen sind sie aus der “Querdenken”-Szene. Im Raum Bremen formieren sich in Telegram-Kanälen ähnliche Gruppierungen.  Bild: Recherche Nord

Mit Beschluss der Länder härtere Corona-Auflagen umzusetzen, steigt bundesweit erneut die Anzahl von Aufmärschen der Corona-LeugnerInnen und “Querdenken“-Szene. Auch in Bremen entstehen augenscheinlich neue Gruppen in diversen Telegram-Kanälen, die Aufmärsche forcieren. Recherchen legen nahe, dass im Hintergrund extrem rechte Netzwerke agieren.

Bremen scheint in der Pandemie die “Insel der Glückseligen” beim Thema Corona zu sein. Hohe Impfquoten und eine breite Akzeptanz der Corona-Politik. Ein Aufbegehren von Corona-ExtremistInnen der bundesweit agierenden “Querdenken”-Szene, ist auch dank antifaschistischer Intervention auf Bremens Straßen in den letzten Monaten beinah zum Stillstand gekommen. – Doch so viel Ruhe ist verdächtig.

Szene in Wartestellung

Seit fast zwei Jahren beobachten wir im Zuge der “Corona-Proteste”, eine Vielzahl offener, wie klandestiner Chatgruppen und Online-Kanäle im Bundesland Bremen. Wenig überraschend, haben sich die NutzerInnen in ihren antisozialen Echokammern seit März 2020 erheblich radikalisiert. Während in den offenen Gruppen die Gewaltfrage mitunter kontrovers und nur am Rande diskutiert wird, spielt besonders in den geschlossenen Gruppen das Thema Gewalt eine dominante Rolle. Widerspruch wird dort weder erwartet, noch geduldet. Auch, wenn viele Maulhelden lediglich große Töne spucken, finden sich unter den AkteurInnen alte Bekannte aus der militanten Neonazi- und Reichsbürger-Szene. Die von sich Reden machen bewaffnet zu sein, sich bewaffnen wollen oder offen zum Umsturz aufrufen. Bremens Innensenat und Staatsanwaltschaft reagieren auf die zunehmende Bedrohung bislang verhalten. Wirklich zu befürchten hat die radikalisierte Szene, die unter ständig wechselnden Labels auftritt, von zuständigen Behörden auch in Bremen wenig. Welche Netzwerke aber hinter Kanälen und AdministratorInnen im Bundesland Bremen stehen, kann am Beispiel des Telegram-Kanals “Ich wohne in Bremen” dokumentiert werden. Aus dem Kanal gehen die aktuellen Planungen hervor, für einen Aufmarsch an diesem Samstag, 14 Uhr, vor der Bremer Kunsthalle.

Extrem rechte Netzwerke tarnen sich als Verteidiger von Grundrechten

Der Kanal “Ich wohne in Bremen” ist exemplarisch für jene Kanäle, die versuchen sich nach außen bürgerlich zu geben. Bei Ereignissen mit Potential zur Mobilisierung, springen die oftmals schon vor Jahren angelegten, kaum frequentierten Kanäle plötzlich in den aktiven Modus, sammeln regionale NutzerInnen aus ähnlichen Kanälen ein. Werfen hingegen NutzerInnen, die eine abweichende Position vertreten, unkommentiert raus und lassen nur noch die Agenda der AdministratorInnen zu. Solange, bis alle auf Linie sind. Die sich dabei besonders engagiert in den Kommentaren hervortun oder durch Begegnungen bei Aufmärschen vertrauenswürdig erscheinen, steigen im internen Ranking auf, erhalten Einladungen in die geschlossenen Chats. Dort herrscht oftmals ein ganz unverhohlener rassistischer und antisemitischer Diskurs. Oft wird hier zudem die Nähe zur AfD überdeutlich. Auffallend ist, dass in vielen dieser Kanäle u.a. AdministratorInnen eingetragen sind, die bundesweit als einschlägige RechtsextremistInnen aktiv sind.

Ein Administrator der sich verantwortlich zeichnet für den Kanal “Ich wohne in Bremen und bundesweit Tausende ähnliche Kanäle bereitstellt, ist der Rechtsextremist Frank Schreibmüller. Bekannt unter dem Pseudonym “Frank, der Reisende“. Mit dem Bremer Kanal, ist der überregionale Kanal “Ich bin in Deutschland verknüpft. Ein Knotenpunkt, der zu einem extrem rechten Netzwerk von unzähligen weiteren Kanälen führt. Service-Kanäle zur vereinfachten Mobilisierung rechter Aufmärsche sind hier direkt eingebunden, wie “Alle Demos” und “Mitfahrgelegenheiten“. Auch hier zeichnet sich Schreibmüller alias “Frank, der Reisende” als Administrator der Kanäle.

Netzwerker mit Verbindungen zum Rechtsterrorismus

Zum Akteur Schreibmüller konstatierte im April 2021 der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes: “Frank, der Reisende.. ist uns seit einigen Jahren bekannt. Er hat seine Karriere begonnen, nach unserer Einschätzung, im Bereich der Reichsbürgerschaft. Und hat sich dann fortentwickelt. Nach den letzten Erkenntnissen muss ich davon ausgehen, dass er in der Zwischenzeit ein Rechtsextremist geworden ist”. – An anderer Stelle erklärt der VS zum Netzwerk solcher Telegram-Kanäle; “Das ist natürlich genau das, was diese Szene will, nämlich Brücken zu bauen in die Mitte der Gesellschaft, in das bürgerliche Milieu, was eben immer erfolgreicher funktioniert und damit natürlich die Gefährlichkeit noch größer macht.“ und „Hier zeigt sich sehr deutlich, dass wir Überschneidungen haben zwischen der Reichsbürger-Szene, und der Hardcore-Rechtsextremismus-Szene und jetzt, wie wir eben auch feststellen, mit der ‘Querdenken’-Szene und der insgesamt aufgeheizten Anti-Corona-Lage“. –

Schreibmüller gilt zudem als eng verbunden mit der Szene der Holocaust-LeugnerInnen, drang mit mutmaßlichen Rechtsterroristen der Neonazi-Gruppierung “Wodans Erben” in eine Asyleinrichtung ein. Auch sei Schreibmüller vernetzt mit AkteurInnen, die im Zuge der “Querdenken”-Aufmärsche am sogenannten “Sturm auf den Reichstag” beteiligt waren. Sein Ausbau eines weit reichenden Telegram-Netzwerkes, verfolgt das Ziel eines gewaltsamen Umsturzes. Die permanente Hetze in diesen Kanälen und der gezielte Aufbau von Feindbildern, finden im Zuge der Radikalisierung ihre entsprechende Gefolgschaft. Einige davon sind offenbar auch bereit für ihre Ziele zu morden.

Der Blick auf weitere Administratoren des Bremer Kanals legt eine nicht weniger extrem rechte Agenda offen. Ein Administrator der sich “Peter Langemark” nennt, zeigt in seinem Profil das Flaggenband der NOD, der “Nationalen Befreiungsbewegung“. Diese gilt unter ExpertInnen als ultra-nationalistisch bis extrem rechts. Ihre Überschneidungen zur “Querdenken”- und Reichsbürger-Szene konnten bundesweit dokumentiert werden. Auch in Bremen existiert ein Ableger, der mitunter versucht obdachlose Menschen am Bremer Bahnhof für ihre demokratiefeindliche Agenda zu instrumentalisieren. (Video-Aufzeichnungen liegen uns vor).

Gezielte Anschläge auf Personen und Einrichtungen nur Frage der Zeit

Die Bereitstellung solcher Kanäle durch einen umtriebigen Rechtsextremisten wie Schreibmüller, ist dabei nur ein Aspekt, der die Fans dieser Szene auch in Bremen unmittelbar am rechten Rand ansiedelt. Hinzu treten die volksverhetzenden und antisemitischen Postings, aus selbst gebastelten Memes und Logos der NutzerInnen. So sind Kommentare und Postings mit zynischen Verharmlosungen der Shoa und des NS-Terrors, selbst in offenen Kanälen wie “Ich wohne in Bremen“, schon nach wenigen Tagen normalisiert. JüdInnen oder die für welche gehalten werden, werden permanent dämonisiert und entmenschlicht. Die überwiegend bürgerlich auftretenden NutzerInnen stören sich nicht daran, wenn sogenannte “Judensterne” mit der Aufschrift “Ungeimpft” verwendet werden. Oder der nun amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), in einem Meme, als der einflussreiche NS-Verbrecher Joseph Goebbels verunglimpft wird. Die Relativierung des Holocaust ist in der Szene inzwischen zum Volkssport geworden. Wie JüdInnen in der Bundesrepublik darunter leiden, ist der Szene vollkommen egal. – Auch ist die Feindschaft zur Demokratie offenkundig. Ganz selbstverständlich wird diskutiert, wie sich bspw. die Plenar-Sitzungen der Bremer Bürgerschaft mit schmerzhaften Hochfrequenz-Tönen unterbrechen ließe und ähnlich größenwahnsinniger Pläne. Statt Kritik oder offene Ablehnung, folgt unter meschenverachtenden und demokratifeindlichen Kommentaren ein Tränen lachender Smilie. Eine fortschreitende Verrohung des Milieus, in der Volksverhetzung und Gewalt zunehmend als bürgerlich und legitim empfunden wird.

Die Szene die bundesweit aufmarschiert, ist durch ihre Propaganda nicht nur mitverantwortlich für die katastrophale pandemische Lage, sondern auch für das Klima in der Gewalt legitimiert wird. Angst und Hass werden gezielt von rechtsaußen forciert, bis der nächste zur Waffe greift.

Redaktion
AfD Watch Bremen

Weitere regelmäßig geplanten Aufmärsche der Szene radikaler Corona-LeugnerInnen: 
– 10.12.2021/ “Corona-Rebellen” Bremerhaven/ 18 Uhr/ Bushaltestelle “Waldemar-Becke-Platz”
– 11.12.2021/ “Spaziergang” des Kanals “Ich wohne in Bremen”/ 14 Uhr/ Kunsthalle Bremen
– 12.12.2021/ “Spaziergang Bürgerpark”/ 14 Uhr/ Torhafen Bremen, Eickedorfstr./Findorffallee
– 13.12.2021/ “Freie Bremer Bürger”/ 18 Uhr/ Am Martinianleger”