Ein  Beitrag über rechts motivierte Einschüchterungsstrategien, mediale Instrumentalisierung und die schleichende Erosion demokratischer Öffentlichkeit.

Kritischer Journalismus steht zunehmend unter strukturellem Druck – nicht nur durch digitale Hasskampagnen oder wirtschaftliche Engpässe, sondern durch eine gezielte Strategie politischer Einflussnahme über den Umweg des Rechts demokratischer Institutionen. Sogenannte SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) sind in Deutschland durch die stetige Normalisierung der AfD längst keine Randerscheinung mehr.

Auch im Bundesland Bremen verdichten sich Fälle, in denen politisch motivierte Anzeigen, Presseausschlüsse und öffentliche Diffamierung gegen kritische Berichte aufeinander abgestimmt wirken – mit dem Ziel, unabhängige Berichterstattung zu diskreditieren und einzuschüchtern.

Was sind SLAPPs – und warum sind sie demokratiepolitisch relevant?

SLAPPs bezeichnen strategisch initiierte Klagen, die nicht auf einen tatsächlichen juristischen Erfolg zielen, sondern auf die Abschreckung kritischer Öffentlichkeit. Betroffen sind insbesondere Journalist:innen, Pressehäuser, NGOs, Bildungsakteur:innen und Monitoring-Stellen, die menschenfeindliche oder extrem rechte Aktivitäten dokumentieren. Zentraler Bestandteil dieser Strategie ist nicht die juristische Argumentation, sondern die öffentliche Inszenierung der Anzeige – idealerweise verbunden mit medienwirksamer Verbreitung und begleitender politischer Skandalisierung. So werden Einschüchterung, Diskreditierung und finanzielle Belastungen zu politischen Werkzeugen.

Fallanalyse Bremen: Strafanzeige gegen AfD Watch Bremen

Am 19.09.2019 berichtete der Weser-Kurier über eine Strafanzeige des AfD-Beiratsmitglieds Sven Schellenberg (Inzwischen für die in Teilen rechtsradikale Partei “Bündnis Deutschland” in der Bürgerschaft) aus Bremen-Blumenthal gegen die Redaktion von AfD Watch Bremen. Hintergrund war ein dokumentierter Hinweis auf mutmaßliche Kontakte zur Reichsbürgerszene.

Die ungerechtfertigte Anzeige wurde nach kurzer Prüfung ohne Ergebnis eingestellt. Eine vorherige Kontaktaufnahme von Schellenberg an uns, erfolgte nicht. Dennoch erzeugte die mediale Berichterstattung des Weser-Kuriers den falschen Eindruck juristischer Relevanz – ohne Kontextualisierung oder Einordnung, die auf jene perfide Strategie der AfD Aufmerksam machte. In der Folge wurde das fachjournalistische Medium AfD Watch Bremen von rechtsextremen Kanälen als „linksextrem“, „unseriös“ oder „falschinformierend“ diskreditiert und bei den Leser:innen des Weser-Kuriers musste wohl der Eindruck bleiben, diese Redaktion macht mit ihrer Expertise irgendwas “kriminelles”. Ein Erfolg der AfD. Ihr Instrument: Der Weser-Kurier, Polizei und Justiz.

Behördliche Reaktionen: Formale Neutralität als politisches Risiko

Besonders problematisch: Auch wenn staatliche Stellen stets formal korrekt und rechtlich neutral agieren würden, können sie durch die bloße Aufnahme eines Vorgangs in ihrer Verfahrenslogik instrumentalisiert werden. Wenn politisch motivierte Anzeigen wie im Fall Schellenberg behandelt werden wie jede andere Eingabe, entsteht ein juristisch legitimierter Anschein von Relevanz – ein Effekt, der sich in SLAPP-Strategien bewusst zunutze gemacht wird.

Ein weiteres Beispiel, das unsere Einordnung untermauert: Ein Lehrer in Bremen-Nord, der im Unterricht auf die investigativen Beiträge von AfD Watch Bremen verwies, sah sich im Anschluss mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde durch die AfD konfrontiert. Auch hier war der Effekt weniger juristisch als gesellschaftlich: Verunsicherung in der Bildungsarbeit, Druck auf Lehrkräfte, Rückzug aus politischer Aufklärung. Zeitgleich installierte die AfD ein Meldeportal gegen Lehrkräfte, die es wagten ihrem Auftrag nachzukommen und Demokratie im Klassenzimmer zu vermitteln.

Ausschluss als systematische Strategie: Der Fall taz – Die Tageszeitung

Am 21. Januar 2019 verweigerte die AfD Bremen mehreren Pressevertreter*innen der taz den Zugang zu einer Pressekonferenz. Die Landespressekonferenz Bremen (LPK) verurteilte das Vorgehen öffentlich als Angriff auf die Pressefreiheit. Doch auch hier war die Inszenierung politisch: Die AfD stellt sich als Opfer angeblich parteiischer Berichterstattung dar und versucht, durch selektiven Zugang mediale Kontrolle auszuüben. Diese pressefeindliche Praxis ist bundesweit dokumentiert und stellt in Kombination mit SLAPPs ein zweiarmiges Repressionsmodell dar: juristisch und strukturell. Wer in die Suchmaschine “AfD schließt Presse aus” eingibt, findet so viele Vorfälle seit 2014, dass es keinen Verfassungsschutz-Gutachten braucht, um auf die Idee zu kommen, dass die AfD die freie kritische Presse als einen ihrer Hauptfeinde bekämpft und somit ein wesentlichen Auftrag der Verfassung gegen Art. 5 GG selbst. Die Verfassung kennt kein Recht für Parteien, Verfassungsaufträge und Grundrechte in ihrem Bestand ausklammern zu dürfen. Im Gegenteil. Die Verfassung gibt den Parteien auf, die Grundrechte strikt zu beachten. Kaum noch Beachtung beim Weser-Kurier und Radio Bremen findet die Tatsache, dass die Bremer AfD inzwischen Parteitage in irgendwelchen Spelunken abhält, ohne überhaupt noch journalistisch begleitet zu werden. Ausnahme bilden derzeit unter persönlichen Risiko für die körperliche Unversehrtheit nur noch Recherche Nord und AfD Watch Bremen. Auch hier zeigt die SLAPP Strategie ihren Erfolg.

Mediale Verstärkung durch unkritische Berichterstattung

Auch etablierte Medien können unbeabsichtigt Teil der Einschüchterungsstrategie extrem rechter Parteien wie der AfD werden. Im Fall des Weser-Kuriers wurde über die Anzeige gegen AfD Watch Bremen berichtet, ohne auf den Kontext oder den SLAPP-Charakter hinzuweisen. Nicht die Frage zu stellen, welche Strategie verfolgt ein:e Politiker:in, wenn sie Journalist:innen gegen Journalist:innen in Stellung bringt, darf nicht als seriös verstanden werden. Besonders, wenn es sich um eine rechtsextreme Partei handelt. Ob überhaupt ein Bewusstsein beim Weser-Kurier über solche Strategien besteht, ist fraglich. Solche Darstellungen schaffen nicht nur Aufmerksamkeit für politisch motivierte Anzeigen – sie erzeugen Deutungshoheit für die Anzeigenden. So bekommt die AfD das letzte Wort, obwohl in einer Demokratie derartigen Extremist:innen gar kein Wort zusteht. Bundesweite Parallelen zu diesem Phänomen geben Grund zur Sorge.

Correctiv, Volksverpetzer, taz und Co.

AfD Watch Bremen ist kein Einzelfall und als ein vorwiegend regionales Angebot weniger im Fokus extrem rechter Angriffe. Nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche zum Potsdamer Treffen („Geheimplan gegen Deutschland“) folgten mehrere juristische Angriffe – unter anderem durch AfD-Jurist Ulrich Vosgerau. Das OLG Hamburg wies im April 2024 eine entsprechende Klage vollständig ab. Dennoch nutzte die AfD strategisch alle damit verbundenen Reaktionen, um die Reputation von Correctiv anzugreifen. Es folgte eine massive Bedrohungslage für die Correctiv-Journalist:innen.

Auch Volksverpetzer dokumentiert seit Jahren eine systematische Zunahme von Abmahnungen und Unterlassungsforderungen durch rechte Akteur*innen. Welche Wirkung die Strategie rechter Akteur:innen wie der AfD hat, zeigte nicht zuletzt der Entzug der Gemeinnützigkeit zum Nachteil von Volksverpetzer. Die taz wiederum war Ziel von Presseausschlüssen, öffentlichen Angriffen und einer gezielten Feindbildkonstruktion – u. a. in Thüringen, wo es 2023 zu physischen Übergriffen auf Reporter kam, die sich inzwischen derart häufen, dass von einer Normalisierung rechter Gewalt gegen kritische Journalist:innen gesprochen werden muss. Passend dazu Stufte “Reporter ohne Grenzen” Deutschlands Pressefreiheit diesen Monat auf Platz 11 herab.

Wer mit kritischen Augen in die diversen Verlags- und Rundfunkhäuser blickt, bekommt ein ähnliches Bild. Dort sind oftmals eigene Rechtsabteilungen etabliert, die es der AfD schwerer machen. Dennoch die Schere im Kopf – im Umgang mit der AfD, der journalistisch gebotenen Kritik und sachlichen Aufklärung über ihre Demokratie- und Menschenfeindlichkeit – ist bereits am Werk. Kaum noch trauen sich kleinere Häuser wie Radio Bremen klar und deutlich ihrem Auftrag gerecht zu werden. Stattdessen Kuscheljournalismus während der Bundestagswahl mit einer Partei die nun als “gesichert rechtsextrem” durch den Verfassungsschutz eingeordnet wurde.

Demokratiegefährdung durch juristische Instrumentalisierung

SLAPPs, Presseausschlüsse und die mediale Inszenierung strategischer Anzeigen sind keine isolierten Taktiken – sie sind Ausdruck einer politischen Strategie, die sich gegen demokratische Kontrollinstanzen richtet. Wenn Journalist*innen unter Druck gesetzt, Lehrkräfte öffentlich angegriffen und kritische Plattformen delegitimiert werden, steht nicht nur deren Arbeit auf dem Spiel – sondern der demokratische Raum selbst. – Wir bewegen uns also in Richtung Notwendigkeit struktureller Schutzmechanismen. Rechtlich braucht es bundesgesetzliche Schutzinstrumente gegen missbräuchliche Klagen. Aktuell wird in den Behörden das Thema nicht erkannt, stattdessen können neben der AfD, rechtsextreme Thinktanks, Reichsbürger und Verschwörungsideolog:innen ihren Krieg ganz offen führen und Staat sowie bürgerliche Presseinstanzen als ihre Waffen instrumentalisieren. Medienethisch ist eine stärkere Einordnungspraxis bei der Berichterstattung über juristische Auseinandersetzungen notwendig. Wer sich in Bremen die Medienhäuser Weser-Kurier und Radio Bremen anschaut, wird wohl kaum den Eindruck gewinnen, hier sei eine Kultur der Einordnungspraxis gegenüber rechtsextremer Vereinnahmung etabliert und entwickelt. Zivilgesellschaftlich bedarf es aktiver Netzwerke, die Pressefreiheit verteidigen und Angriffe dokumentieren. Das geht auch an die Adresse von antifaschistischen Akteur:innen, die kritische Presse permanent bedroht durch die AfD anzusehen und als Teil zivilgesellschaftlicher Verteidigung, die Pressefreiheit und ihre Vertreter:innen im Kampf gegen Rechtsextremismus einzubeziehen.

Denn Pressefreiheit endet nicht dort, wo sie unbequem wird – sie beginnt genau dort.

Redaktion
AfD Watch Bremen


Dieser Beitrag wurde von der Redaktion von AfD Watch Bremen verfasst. Wir beobachten und dokumentieren (extrem) rechte Aktivitäten, Akteur:innen und Netzwerke im Bundesland Bremen – faktenbasiert, quellengesichert und fachjournalistisch unabhängig.