Inzwischen ist Hoffmann aus der AfD ausgetreten. Burschenschafter der Alemannia Bremen. Recherchen zur Person von inventati.org aus dem Jahr 2014.

Zum Jahresbeginn soll es in Leipzig einen “linksextremistischen Anschlag” gegeben haben. Grotesk: Außer einem aufmerksamen Linksextremismus-Forscher hat ihn keiner bemerkt.

Nein, Karsten Dustin Hoffmann ist kein Schauspieler. Das Talent des 36-jährigen genügte zunächst nur für die Hamburger Bereitschaftspolizei. Dann wurde er Gesinnungspolizist und promovierte bei Eckhard Jesse an der TU Chemnitz, Thema: “Rote Flora”. Das ist bis heute Hoffmanns Steckenpferd. Anlässlich einer jüngst im Hamburg durch Hoffmanns ehemalige Kollegen zerschlagenen Demonstration geißelte er einmal mehr die – so auch die Überschrift seines Artikels – “Gefahr von links”. Was würde etwa passieren, fragt er, “wenn ein Gericht dem Eigentümer zu seinem Recht verhelfen” und die Rote Flora daraufhin geräumt würde?

Nämlich das:

“Linksextremisten in den südeuropäischen Nachbarländern […] schrecken auch vor Angriffen mit Schusswaffen und Briefbombenattentaten nicht zurück.”

Vielleicht ist dem Wissenschaftler hier ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Die glaubwürdige Androhung des Schusswaffengebrauchs (“situationsbedingt wahrscheinlich”) liegt nämlich wirklich vor. Ausgesprochen hat das allerdings der Hamburger Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch.

Dazu von Hoffmann kein Wort. Die zutreffenden Hinweise von OppositionspolitikerInnen, dass die Eskalation im Hamburg am 21. Dezember tatsächlich von der Polizei ausgegangen war, erinnern ihn vielmehr “an den einstigen irakischen Außenminister Muhammad as-Sahhaf, der im Staatsfernsehen den Sieg Saddam Husseins verkündete, als die Angriffe der US-Armee bereits im Hintergrund zu hören waren.” Man muss Hoffmann zugute halten, dass Extremismusforscher nicht auf das Erkennen, sondern nur auf den Gebrauch schiefer Vergleiche spezialisiert sind. Wenn er mit den Irakern die Linken identifiziert, kann er mit “Angriffe der US-Armee” nur die Polizei meinen, von denen doch angeblich gar kein Angriff ausgegangen sei.

Linksextremistisches Glitzerspray

Diesen Quatsch und noch viel mehr verbreitet Hoffmann auf seiner Website namens “Bibliolinx”. Das große Highlight dieser Website ist eine “Anschlagsdokumentation”. Wichtig zu wissen ist, dass Hoffmann unter einem “Anschlag” all das versteht, was Linksextremisten treiben, nur gerade nicht das, was man gemeinhin mit dem Begriff Anschlag bezeichnen würde. So verwundert es nicht, dass in seiner Auflistung für das Jahr 2013 (Hoffmann kommt deutschlandweit auf 233 Fälle) schon das Anbringen eines Graffitis an einer Wand, das Aufhängen eines Transparents an einem leerstehenden Gebäude oder das Versprühen von “Glitzerspray” ein “Anschlag” ist.

Von einem “linksextremistischen Anschlag” spricht Hoffmann bereits, wenn die Täter erklärtermaßen unbekannt geblieben sind. Oder wenn sich eine Tat “zeitgleich” zu irgendeiner Demonstration ereignet hat. Oder wenn es auf der AfD-nahen Website “Gewalt gegen die AfD” verzeichnet steht, auf der kritische JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen denunziert werden, weil sie Gewalt gegen die “Alternative für Deutschland” fördern würden, indem sie etwas Kritisches zur AfD gesagt haben. Etliche der dort aufgeführten Fälle sind Hoffmanns ehemaligen Kollegen mangels Anzeige völlig unbekannt.

Das führt uns endlich nach Leipzig. Hier gab es laut Hoffmann im vergangenen Jahr zwei “linksextremistische Anschläge”. Besonders schillernd ist dieser Vorfall aus dem September: “Tätlicher Angriff auf Unbeteiligte, die AfD-Infomaterial mit sich führen”. Quelle ist wiederum eine AfD-freundliche Website, auf der über den angeblichen Vorfall in Leipzig überhaupt nicht berichtet wird. Nur in einem von mehr als 200 anonymen Kommentaren unter einem Artikel, in dem die AfD “Sicherheitsvorkehrungen bei künftigen Wahlauftritten” ankündigt, wird behauptet, in Leipzig sei irgendwer von irgendwem angeschnauzt worden. Schlimm, und für Hoffmann ein ganz klarer Fall: linksextremistischer Anschlag in Leipzig!

Leipzig: Feindbild Müllcontainer

Hoffmann ist schnell. Kaum hat das neue Jahr begonnen, hat er schon die Chronik für 2014 angelegt. Demnach gab es allein am 1. Januar fünf, nun ja, “linksextremistische Anschläge”. Wieder einer in Leipzig. Dazu heißt es:

“Bei einer Spontanversammlung (Tenor: “Bleiberecht für Lampedusa”) von 200 Personen der linken Szene unmittelbar nach Jahreswechsel werden 11 Polizeibeamte durch Flaschen- und Steinwürfe verletzt. Mehrere Müllcontainer werden angezündet.”

Nun gibt es keinen Grund, Anschläge auf wehrlose Müllcontainer zu verharmlosen. Hoffmanns zuverlässige Quelle ist immerhin ein BILD-Artikel. Der berichtet in der Tat von 11 verletzten Polizeibeamten und von einer nicht-ganz-friedlich verlaufenen Demonstration zum Jahreswechsel im Leipziger Stadtteil Connewitz. Dass bei der Demonstration 11 Polizisten verletzt worden seien, behauptet jedoch nicht einmal die BILD – das ist nur der falsche Reim, den sich Hoffmann darauf macht. BILD schreibt lediglich, dass bei der Demonstration “auf Polizisten mit Böllern geworfen wurde”.

AugenzeugInnen berichten vielmehr, dass es zu Auseinandersetzungen gekommen sei, als die Polizei einzelne Personen äußerst unsanft festzunehmen versuchte (BILD: “Polizisten müssen [!] gegen Krawallos handgreiflich werden”). Dass Müllcontainer vor und nach, aber nicht während der Demonstration entzündet wurden. Und dass die Demonstration, anders als das Agieren der Polizei, eine tatsächlich deeskalierende Wirkung hatte.

Rechte Freunde

Genau so erfinden “erforschen” so genannte Linksextremismusforscher den so genannten Linksextremismus. Erklärungskräftig ist dafür eher nicht die Behauptung Hoffmanns, seine Website berichte “unabhängig” und entwickle “keine eigenen politischen Positionen.

Schließlich ist Hoffmann nebenher Autor der Website “Citizen Times”. Hinter der Website steht die so genannte “Gustav Stresemann Stiftung” von Felix Strüning. Entgegen des Stiftungs-Titels ist diese Gruppierung als Vorfeld-Verein der extrem rechten Splitterpartei “Die Freiheit” entstanden, der Strüning als Spitzenfunktionär angehörte. Später, im Herbst 2012, war Strüning sogar Referent beim “Zwischentag” in Berlin. Der gilt inzwischen als einer der wichtigsten Treffpunkte der extremen und der Neuen Rechten in Deutschland.

Strüning steht auch hinter der Website “linksextremismus.org”, dort werden einige Texte Hoffmanns gespiegelt. Strünings und Hoffmanns Seiten empfehlen einander ausdrücklich zur Lektüre, neben den üblichen Verfassungsschutz-Postillen. Vielleicht ist Hoffmann — übrigens Gelegenheitsautor bei “Endstation Rechts” – über seinen Bündnispartner wirklich nicht informiert. Das kann passieren, wenn man die “Gefahr von links” wittert. Oder aber Karsten Dustin Hoffmann möchte endlich einmal selbst mit Muhammad as-Sahhaf verglichen werden. Dustin Hoffman – den talentierten Schauspieler, nicht den promovierten Bullen – konnte man sich immerhin ganz gut in der Rolle des “Comical Ali” vorstellen.” –

Dank geht an Inventanti.org für diese Recherche. Zur Dokumentation der Entwicklungsgeschichte der AfD und ihrer AkteurInnen bleibt dieser Beitrag hier archiviert. 

Redaktion
AfD Watch Bremen