Im Bremer Stadtteil Walle wird mit einer Straßenbenennung die KZ-Überlebende und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Friedensaktivistin Fasia Jansen geehrt. Bild: AfD Watch Bremen

Während einer Sitzung in einem Bremer Beirat kommt es zum Eklat. Ein Akteur der rechten “Wählervereinigung Bürger in Wut“ (BiW), stellt sich mit einem Antrag gegen das allgemeine Begehren, im Stadtteil Walle eine Einweihungsfeier zu fördern. Anlässlich der Benennung einer Straße nach der KZ-Überlebenden und Friedensaktivistin Fasia Jansen. Öffentlich würdigt der Kommunalpolitiker erlebtes Leid der Zwangsarbeiterin herab und bedient sich Verschwörungsmythen der extrem Rechten. 

So konstatiert das Beiratsmitglied der “BiW”, Gerald Höns, im Waller Beirat am 02.02.2023 zur Verteidigung seines Antrags gegen die Förderung einer geplanten Einweihungs- und Gedenkfeier: „Das mit dem KZ ist auch so eine Sache. Wir sehen das eher als so ein Eingangsschlüssel, für eine Billigung einer Karriere einer Linksaktivistin. Es gibt Personen die haben eher eine Huldigung verdient, die im KZ gestorben sind und nicht nur dort Küchendienst gemacht haben und danach ein schönes Leben führen konnten“. – An dieser Stelle unterbricht ihn die Ortsamtsleiterin Ulrike Pala im Beirat und erklärt, dass „diese Äußerung unerträglich“ sei, unter Kopfschütteln der übrigen Beiratsmitglieder.

Die Suche nach der größtmöglichen Provokation

Überraschend kommt diese herabwürdigende Äußerung des „BiW“-Akteurs nicht. So schreibt Höns am Tag vor dieser Beiratssitzung, auf seiner öffentlich einsehbaren Facebook-Seite: „Gewissen Menschen, wie z.B. das linke Partyvolk, genügt es nicht, eine der Ihren mit einem Straßennamen zu huldigen (Anm.: gemeint ist die KZ-Überlebende Fasia Jansen). Nachdem das Straßenschild da ist, muss noch ein Infoschild für 6.000.- Euro aus Steuermitteln her. Damit nicht genug, es soll noch eine Einweihungsfeier steigen“. Was Höns vom „linken Partyvolk“ hält, wurde in der Vergangenheit mehr als deutlich. So kriminalisierte er die ihm verhassten Kulturschaffenden vom Verein Zucker e.V. auf das Übelste. Das Bremer Landgericht gab einer Klage des Vereins statt und verurteilten den Kommunalpolitiker Höns schließlich auf Unterlassen. Zu diesem Zeitpunkt war Höns noch für die extrem rechte AfD im Beirat aktiv.

Dem Chef der „BiW“ gefallen offenbar die Tiraden seines neuen Schößlings. So liked Jan Timke zustimmend diesen Post des „BiW“-Akteurs Höns mit seinem Facebook-Account. Auf diese polemische Herabwürdigung, die die KZ-Überlebende Fasia Jansen darüberhinaus offenkundig, durch unsachliche Verknüpfung ihrer Person mit dem vermeintlich „linken Partyvolk“, zu kriminalisieren sucht, kommentiert der ehemalige AfD-Funktionär Wolfgang Rabe: „Der ‚Letzten Generation‘ muss noch etwas vererbt werden, denn den Abbau von Schulden fürchten die rot-grün-links versifften Ampelisten, gemeinsam mit den schwarz-lackierten Gutmenschen, wie der Teufel das Weihwasser“. – Solche Einlassungen unterstreichen auch hier den Hass der ProtagonistInnen auf Andersdenkende und offenbaren wie so oft, das es selbst bei formal bürgerlichen Anträgen von rechten Parteien nicht um Kritik geht, sondern um eine Strategie der Dämonisierung und der Markierung von Feindbildern.

Gerald Höns nimmt an einem Aufmarsch der verschwörungsideologischen Szene teil. Hier die Veranstaltung der vom Verfassungsschutz beobachteten “Querdenken 421”.

Kreide fressende Wölfe

An dieser Beirat-Sitzung nimmt an diesem Abend „BiW“-Abgeordneter Timke höchstpersönlich im Publikum teil. Der ehemalige Bundespolizist a.D. war schon Ziel von Ermittlungsbehörden und Hausdurchsuchung, ebenso wie Gerald Höns. Dem Deutschlandfunk gegenüber sagte Timke nach der Hausdurchsuchung: „Dieses nationalistische, dieser völkische Flügel, dass wir das ablehnen, ich bin ein zutiefst konservativer Mensch, ich lebe auch konservative Werte, ob das im Familienleben ist, oder auch hier im beruflichen Leben und ich lehne Extremismus ab (..)“. Wie viel Wert diese Worte haben, zeigt sich nicht zuletzt an diesem Abend.

Zusammen mit Julia Tiedemann (Landesvorsitzende und Fraktionsmitglied der „BiW“) und die neue Anwärterin auf das Amt im Waller Beirat für die „BiW“, Tanja Häfker (zuletzt für „Die Piraten“ aktiv), sitzt Timke im Publikum. Auch sie liken besagten Facebook-Beitrag von Höns. Statt an diesem Abend mäßigend auf ihren neuen Funktionär einzuwirken, herrscht so etwas wie mimische Zustimmung im Raum. Die Sitzung wird also von leichten Tumulten in ihrem Fortkommen gebremst, in denen die Rufe „unsäglich“ und „das geht gar nicht“ von einigen BeirätInnen zu hören sind. Während manch „BiW“-FunktionärInnen frohlockend im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie grinsen.

Im Gespräch zeigen sich kommunalpolitische VertreterInnen des Beirats erschüttert. Darunter Dr. Karsten Seidel (Grüne) und Fraktionssprecher der Linken, Jörg Tapking. Mit weiteren Beiratsmitgliedern engagieren sie sich für die Feier zur Straßenbennenung nach Fasila Jansen: „Es ist schwer zu ertragen, das solche widerlichen und unsäglichen Äußerungen in einem demokratischen Gremium ausgebreitet werden können. Eine geschlossene Positionierung aller VertreterInnen im Beirat ist hierzu wünschenswert“.

Was an diesem Abend im Waller Beirat durch so einen Antrag für Szenen zu erwarten waren, wird Abgeordneter Timke und seine Begleitung wohl mindestens billigend in Kauf genommen haben müssen. So schreibt Höns schon Wochen zuvor im „BiW“-Antrag in die Einleitung: „Keine überbordende Huldigung einer Fasia Jansen“.

Weiter heißt es in dem Antrag: „(..) dem Unterzeichner [Höns] fällt eine Person ein, die unter dem Nationalsozialismus ungleich mehr gelitten hat, als eine Fasia Jansen. – Fakt ist, dass Fasia Jansen, wenn auch leidvoll, so aber dennoch vergleichsweise glimpflich über die NS-Zeit kam und Jahrzehnte lang nach Ende der NS-Gewaltherrschaft im Sinne linker Ideologien wirken konnte. (..) [es] soll offenbar eine Person als Märtyrerin geschaffen werden, um Linke Ideologien auf Dauer in das Bewusstsein der Bevölkerung zu brennen. – Ganz anders ist es hier dem (..) Walerian Wrobel ergangen. Dieser wurde noch vor Kriegsende von den Nazis ermordet, und hatte keine Chance Karriere als linker Aktivist zu machen“.

Dahinter folgt extrem rechte Propaganda

Die zynischen Einlassungen bis hier hin, offenbaren bereits Wochen vor der Sitzung eine gezielte Verunglimpfung der KZ-Überlebenden Fasia Jansen. Die vermeintliche Anerkennung von Leid, dient lediglich als Vehikel, um die Verunglimpfung ihrer Person und ihrer Verdienste zu verdecken. Die Herabwürdigung wird durch die Vergleichsziehung zwischen zwei Schicksalen, die unter der Terrorherrschaft des NS-Regimes zu leiden hatten, sogar verstärkt.

Eine öffentliche Bewertung, die erlittene Zwangsarbeit als „glimpflichen“ Ablauf verharmlost, kann objektiv nur als Herabwürdigung ihrer Person und des von ihr erfahrenen Leides verstanden werden. Besonders mit Hinblick auf die Biografie von Fasia Jansen. Die zu Lebzeiten stark unter den Nachwirkungen dieser Erfahrungen zu leiden hatte. – Weswegen der Beirat den Antrag nicht schon vorab im Januar rügte, erklärt sich nicht. Schlussendlich wird in diesem Antrag der „BiW“, die verdeckte Intention deutlich, die sich gegen politisch Andersdenkende richtet und zu diesem Zweck noch ein weiteres NS-Opfer instrumentalisiert, um mitunter extrem rechte Ideologien im öffentlichen Raum zu normalisieren.

So erklärt der Kommunalpolitiker Höns weiter im Antrag: „(..) letztlich geht es dann doch nur um ein weiteres kulturmaxistisches Projekt der einschlägigen Akteure, deren verqueres linkes Weltbild im Sinne des beabsichtigten Gesellschaftsumbaus (..) umgesetzt werden soll“. – Worte, die nahezu identisch auch aus den Reihen des völkisch-nationalistischen Flügels um Björn Höcke (AfD), von VerschwörungsideologInnen oder auch der Identitären Bewegung zu vernehmen sind. Hier sei an die „Denkmal der Schande“-Rede des Rechtsextremisten Höcke erinnert. 2011 bezog sich der Norwegische Rechtsterrorist Anders Breivik direkt auf das Konzept des Kulturmarxismus, um seine Morde zu rechtfertigen.

Wenn (extrem) Rechte über Shoah, NS-Terror und insgesamt über Opfer der NS-Regimes sprechen, so stets im Jargon von Verbrechern. Um sich entweder der Geschichte zu entledigen, sie umzudeuten oder des Leids der Opfer nach belieben zu bedienen und politisches Kapital daraus zu schlagen, aus denen sie sich ungeniert parteipolitisch bereichern. Ungeachtet der Tatsache, dass sie ideologische Erben derer sind, die die Shoah mitzuverantworten hatten.

Finanzielle Unterstützung für eine unsägliche Vereinigung

Zur Bürgerschaftswahl 2023 wird die “Wählervereinigung BiW“ für ihren Wahlkampf mit Mitteln der rechtsoffenen Kleinpartei „Bündnis Deutschland“ in Höhe von 300.000 Euro unterstützt. Die selbst nicht in Bremen antreten will, um der in manch abgehängten Stadtteil erfolgreichen „BiW“ keine Konkurrenz zu machen und „Synergieeffekte zu nutzen“, wie das Bündnis offiziell erklärt.

Wer wie „Bündnis Deutschland“ durch die finanzielle Unterstützung mit AkteurInnen der „BiW“ faktisch kooperiert, die KZ-Überlebende in gute und schlechte selektieren und öffentlich verunglimpfen, hat schon vor Betreten des Parlaments, die demokratische Bühne verlassen. Wer die mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Friedensaktivistin Fasia Jansen kriminalisiert oder sonstwie herabwürdigt, hat in einem demokratischen Diskurs ebenso wenig Raum, wie eine rassistische Law & Order-Partei, die solch unsägliche Ausbrüche honoriert.

Redaktion
AfD Watch Bremen